WAS TUT GUT? - Universiteit Twente
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„Lebenskunst ist das, was mich und meinesgleichen vom Tier<br />
unterscheidet. Ich sage meinesgleichen, damit jeder Philanthrop, wenn er das<br />
will, sich von mir distanzieren kann. Der Wurm schreckt vor Schmerz zurück<br />
und Fliegen werden durch Zucker angelockt. Diese Lebewesen traben im<br />
Geschirr ihrer Gene, sie tanzen nach dem Rhythmus ihrer Instinkte. Ich nicht.<br />
Bei mir und meinesgleichen ist Schmerz etwas, das gelitten wird, und daneben<br />
kann und will ich genießen vom Genuss. Ich lass mir weder Freude noch<br />
Trauer wegnehmen – bei beiden such ich Halt... Die Kunst vom Leiden und die<br />
Kunst vom Feiern sind beide mit der Lebenskunst verwoben. Sie sind<br />
voneinander abhängig wie Licht und Schatten, manchmal im gleißenden Licht<br />
des Mittags, manchmal im grauen Licht der Nacht. .. Mein Leben wird nicht<br />
einfach von selbst ein Kunstwerk durch den Verbund von Zellen, sondern<br />
durch die überlieferte Lebenskunst. Ob das eigene Leben ein Kunstwerk wird,<br />
hängt davon ab, ob jemand durch seine Kultur im Leiden und Sich – Freuen<br />
unterwiesen worden ist.<br />
Durch die eigene Lebenskunst einer jeden Kultur wird aus dem Leiden<br />
ein verantwortliches Handeln gemacht, indem der Arzt nicht vorgibt den<br />
Schmerz zu töten, die Krankheit ‚zu verbannen’ oder den Tod zu bekämpfen,<br />
sondern versucht im Leiden Beistand zu geben. Was (dieses, mk) Ideal<br />
anbelangt, steht das moderne Gesundheitswesen am entgegengesetzten Ende<br />
des traditionellen Beistands durch den Arzt. Diese Sorge will das Leiden<br />
überflüssig, die Kunst des Leidens zu einem Museumsstück machen und das<br />
subjektive Genießen und Leiden ersetzen durch objektive Gesundheit und<br />
Krankheit. Die zum Produkt gewordene Sorge ist das Ergebnis des<br />
Gesundheitswesens und nicht, so wie das Leiden und das Vergnügen am<br />
Genesen, das Werk der Lebenskunst.“ 238<br />
238 Zitiert bei Hans Achterhuis. 1988. S. 307 (Übersetzung mk) In diesem Zusammenhang ist ein<br />
Gedanke des Philosophen Arthur Schopenhauers, man mag ihm zustimmen oder widersprechen,<br />
zumindest bedenkenswert: „Übrigens könnte man durch jene Betrachtung über die Unvermeidlichkeit<br />
des Schmerzes und über das Verdrängen des einen durch den anderen und das Herbeiziehen des<br />
neuen durch den Austritt des vorigen sogar auf die paradoxe, aber nicht ungereimte Hypothese<br />
geleitet werden, dass in jedem Individuum das Maß des ihm wesentlichen Schmerzes durch seine<br />
Natur ein für alle Mal bestimmt wäre, welches Maß weder leer bleiben noch überfüllt werden könnte,<br />
wie sehr auch die Form des Leidens wechseln mag.“<br />
In: Arthur Schopenhauer. 2002. Lebensregel Nr. 5<br />
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