WAS TUT GUT? - Universiteit Twente
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wurde? Könnten posthumane Wesen, die intelligenter und gesünder, talentierter sind<br />
als wir, nicht möglicherweise eine moralische Noblesse im Sinne eines ‚durch Arbeit<br />
an sich selbst, durch Vernunft und Reflexion zu erwerbenden Gutes, das denjenigen,<br />
der sie besitzt, auszeichnet’ (siehe oben), erreichen, die der unseren weit überlegen<br />
ist?<br />
Ich stelle die Fragen in den Raum. Meines Erachtens nennt Kass keine<br />
überzeugenden Argumente dafür, sie grundsätzlich zu verneinen. Dignitas mag man<br />
für den posthumanen Menschen gerade so zu proklamieren wie für den Menschen in<br />
seiner gegenwärtigen Gestalt. Zumindest solange auch posthumane Individuen<br />
Lebewesen von Fleisch und Blut sind, ‚of longings and attachments’ - und warum<br />
sollten sie das nicht sein? - könnten sie – auf der Basis der Kassschen Definition –<br />
Würde beanspruchen. Vor allem die historische Erfahrung, dass der Geltungsbereich<br />
der Menschenwürde mehrfach ausgeweitet wurde, untermauert diese<br />
Einschätzung. 144<br />
Obwohl Kass’ Hauptargument, nämlich dass eine Veränderung der<br />
menschlichen Natur notwendigerweise mit einem Verlust an Menschenwürde<br />
einherginge, nicht plausibel erscheint, ist sein Plädoyer für eine das Leben und alles<br />
Lebendige liebende Haltung und Zielsetzung doch sehr überzeugend.<br />
Ich möchte noch einen weiteren Grund hinzufügen, der die nachhaltige<br />
Mahnung von Leon Kass unterstreicht, der aber ohne seinen Rekurs auf die<br />
Menschenwürde. Aus evolutionsbiologischer Sicht gibt es eine Überlegung, die<br />
bezüglich der Modifikation menschlicher Eigenschaften zur allergrößten Vorsicht<br />
mahnt: Die Evolution fördert Entwicklungen und Konstellationen, die sich für das<br />
Überleben von Populationen als nützlich erweisen. Geht man von dieser allgemein<br />
akzeptierten Grundannahme aus, kann man schlussfolgern, dass alle in der<br />
menschlichen Spezies vertretenen Erscheinungsformen in der ein oder anderen<br />
144 Gegenwärtig gibt es eine Entwicklung, die hier vielleicht eine viel drastischere Veränderung<br />
bewirken könnte als potentielle Modifikationen der menschlichen Natur. Ich will den Punkt, obwohl<br />
hochinteressant, nur kurz anreißen, weil eine tiefergehende Reflexion unseren Rahmen sprengen<br />
würde: Seit wenigen Jahren erfinden sich Menschen – angeregt durch ein Computerspiel, das unter<br />
dem Namen second life verbreitet ist, virtuelle Existenzen. Es entstehen ganze Welten der<br />
Kommunikation, des Handels und Wandels im virtuellen Bereich. Es wird vermutlich nicht lange auf<br />
sich warten lassen, bis auch für diese erfundenen Welten Spielregeln des Miteinanders der Akteure<br />
entwickelt werden (müssen), und eine Vorstellung der Würde der Avatare, wie die virtuellen<br />
Identitäten genannt werden, wird sicherlich dazugehören. Das wird noch einmal ein neues<br />
Nachdenken über die Verankerung des Würdebegriffs in der irdischen Existenz erforderlich machen.<br />
Vgl. http://www.manager-magazin.de/it/artikel/0,2828,469223,00,html [abgerufen am 15.04.07]<br />
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