WAS TUT GUT? - Universiteit Twente
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Die einzige Gewissheit, die ein gesunder Mensch bezüglich seines<br />
Lebensweges heute hat, lautet, dass er eines Tages wird sterben müssen. 61 Wann,<br />
woran, wie - das entzieht sich zumeist der Kenntnis. Es ist anzunehmen, dass im<br />
Zuge der sich entwickelnden Proteinforschung und paralleler Forschungsrichtungen<br />
sich diese anthropologische Grundkonstante zumindest in Teilen wandeln wird.<br />
Mithilfe der neuen diagnostischen Methoden wird es immer vorhersehbarer sein, wie<br />
sich der individuelle Körper entwickelt, welche Krankheiten sich einstellen oder auch<br />
gerade nicht, und wie seine persönliche Lebenserwartung aussieht. Auch<br />
gentechnische Testverfahren deuteten schon in diese Richtung. Die Proteinanalysen<br />
erhöhen aber, wie bereits ausgeführt, die Aussagekraft um ein Vielfaches. Was<br />
bislang offen und unbestimmt, wie unter einem Schleier verborgen, vor den<br />
Menschen lag, ihre physische Zukunft, wird nun prinzipiell beschreibbar,<br />
kategorisierbar und damit jedenfalls in Ansätzen verfügbar.<br />
4. Individualisierung von Risiken<br />
In einem weiteren Kontext betrachtet, könnte der Proteinchip - wie andere<br />
diagnostische Instrumente auch – möglicherweise dazu beitragen, Krankheit in einem<br />
bisher unbekannten Maße zu individualisieren. Führt schon das Potential genetischer<br />
Untersuchungen zu einer zunehmenden individuellen Zurechenbarkeit<br />
gesundheitlicher Risiken, würde sich diese Tendenz mit Einführung des Proteinchips<br />
noch wesentlich verstärken. Bislang konnten die meisten Menschen davon ausgehen,<br />
etwa die gleichen Chancen wie ihre Mitmenschen zu haben, ohne schwerwiegende<br />
Erkrankungen ein ‚gesegnetes Alter’ zu erreichen. 62 Hier gibt es eine Veränderung:<br />
61 Und auch diese Gewissheit ist bereits ins Wanken geraten, extrapoliert man die Möglichkeiten der<br />
Klonierungstechnik, der Stammzellenforschung und der biochemischen Forschung einmal mit etwas<br />
utopischer Phantasie in die Zukunft. Möglicherweise haben schon heute lebende Generationen die<br />
Chance (oder den Fluch, je nach dem, wie man es bewertet) zumindest theoretisch bis in alle Ewigkeit<br />
weiter zu existieren. Ich will diesen Gedanken hier nicht weiter vertiefen. Hinweisen möchte ich nur<br />
auf das sehr konträr diskutierte Buch Fantastic voyage. Live long enough to live forever von Ray<br />
Kurzweil und Terry Grossman, das 2004 erschienen ist. Auch in Fachkreisen ist man sich offensichtlich<br />
nicht darüber im Klaren, ob es sich dabei um eine realistische oder eine völlig abwegige Utopie<br />
handelt.<br />
62 Vgl. hierzu die anderslautenden Meinungen von Hans-Ulrich Deppe und Wolfram Burckhardt in<br />
ihrem gemeinsam verfassten Buch Solidarische Gesundheitspolitik. Dort heißt es im Kontext einer<br />
Argumentation, die ausführt, warum Gesundheit oder Krankheit als Ganzes nicht den Charakter einer<br />
marktfähigen Handelsware annehmen können: „Der Patient weiß nicht, wann und warum er krank<br />
wird, an welcher Krankheit er leiden wird. Er hat in der Regel nicht die Möglichkeit, Art, Zeitpunkt und<br />
Umfang der in Anspruch zu nehmenden Leistungen selbst zu bestimmen. Krankheit ist ein von den<br />
Individuen kaum steuerbares Ereignis, sondern ein allgemeines Lebensrisiko“ in: FR 20/08/2002 Dok<br />
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