WAS TUT GUT? - Universiteit Twente
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gegründete Selbstsorge sein kann. Denn welchen Sinn macht es letztlich für eine<br />
Patientin, wenn sie die Ärzte an allerlei Symptomen herumdoktern lässt, ihnen die<br />
wirklich relevanten Informationen, die einen Schlüssel zu ihren Beschwerden<br />
bereithalten würden, aber vorenthält. Das mag allerlei neurotischen oder infantilen<br />
Bedürfnissen entsprechen, ein solches Verhalten ist aber – zumindest hinsichtlich der<br />
Erkrankung - völlig ineffektiv; und es missachtet die Bemühungen der Mediziner und<br />
hält sie zum Narren. Wie eine Anwältin nur dann ihre Klientin gut vertreten kann,<br />
wenn sie über alle relevanten Punkte in einem Fall wahrheitsgemäß unterrichtet ist,<br />
kann eine Ärztin nur dann wirklich etwas für ihre Patientin tun, wenn ihr alle für den<br />
Zusammenhang wichtigen Informationen zugänglich sind. Mithilfe des Proteinchips<br />
könnte die Kommunikation nüchterner, sachlicher und weniger interessengesteuert<br />
werden.<br />
Es käme vermutlich sehr auf die Begleitumstände und die Handhabung durch<br />
den Arzt an, ob die mittels des Proteinchips erfolgte Offenlegung des Verhaltens<br />
letztlich als klärend und stärkend erlebt wird, oder ob sie als bevormundend und<br />
demütigend wahrgenommen wird. Auch deshalb ist es ausgesprochen wichtig, dass<br />
zum einen der Selbstmächtigkeit als Element der Heuristik der Lebensfreude auf<br />
konzeptioneller und struktureller Ebene im Gesundheitswesen der ihr gebührende<br />
Platz eingeräumt wird, und dass sich zum anderen das ärztliche Personal die<br />
Bedeutung des Aspektes Selbstmächtigkeit nachhaltig vor Augen führt und seinen<br />
Umgang mit den Patienten an einer Stärkung der autarkeia orientiert. Die größere<br />
zwischenmenschliche Transparenz, zu der der Proteinchip aber auch andere<br />
medizintechnologische Innovationen beitragen, macht das Leben nicht unbedingt<br />
leichter. Die Heuristik der Lebensfreude kann insofern hilfreich sein, als sie das<br />
Bewusstsein für die verschiedenen Dimensionen komplexer werdender Situationen<br />
schult.<br />
Verwiesen sei im Kontext Selbstmächtigkeit auch noch einmal auf die weiter<br />
oben angesprochenen Vaterschaftstests oder auch auf das von Karel G. van Loon in<br />
seinem Roman Passionsfrucht aufgegriffene Beispiel. Gerade auch an diesem Fall<br />
wird deutlich, dass die Konsequenzen einer Diagnose bezüglich der durch sie<br />
hervorgerufenen Verunsicherung manchmal gar nicht abzusehen sind. Physiologische<br />
Analysen auf dem heute möglichen Niveau können sich auf psychologischer Ebene<br />
leicht als Spiel mit dem Feuer entpuppen. Sie können damit zu einer Gefährdung der<br />
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