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WAS TUT GUT? - Universiteit Twente

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Insgesamt erscheint die Lage weitaus diffuser als noch vor einigen<br />

Jahrzehnten. Die Tatsache, dass die technologische Entwicklungsgeschwindigkeit<br />

extrem zugenommen hat, trägt ein Übriges zur Konfusion bei, weil eine Entwicklung,<br />

kaum ist sie ins öffentliche Bewusstsein gedrungen, schon wieder überholt ist. Da die<br />

Gefährdungen nicht eindeutig als solche zu erkennen sind, müsste man, wollte man<br />

konsequent allein auf der Basis der Heuristik der Furcht agieren, die weitere<br />

technologische Entwicklung vermutlich einstellen, eben weil die Folgen in vielen<br />

Fällen nicht überschaubar sind. Diese radikale Position hat ihren Charme und die<br />

Totalverweigerung kann für sich die Größe der hehren Überzeugung in Anspruch<br />

nehmen, die allein schon durch ihre Klarheit und Eindeutigkeit eine eigene Wirkkraft<br />

entwickeln würde, jenseits allen Lavierens und Suchens, aller Bereitschaft,<br />

Kompromisse zu schließen.<br />

Allerdings erscheint dieser ‚Ludditismus’ in der Praxis kaum umsetzbar. Mögen<br />

beispielsweise einzelne Individuen gegebenenfalls für sich persönlich auf den Einsatz<br />

medizinischer Technik, die auf diskreditierbarer biotechnologischer Forschung und<br />

Entwicklung basiert, verzichten, so wird eine solche Haltung spätestens da<br />

bedenklich, wo auf ihrer Grundlage Entscheidungen für andere, Schutzbefohlene,<br />

also üblicherweise Kinder oder nicht mehr entscheidungsfähige Alte gefällt werden<br />

müssen. Anderen potentielle Heilungschancen zu verweigern, weil man die<br />

gesamtgesellschaftliche Wirkung der für sie eingesetzten Techniken für bedenklich<br />

hält, erfordert eine Stärke der inneren Überzeugung , die nur von wenigen<br />

aufgebracht wird - und in diesem Fall selbst außerordentlich diskreditierbar ist. 173<br />

Der Verzicht auf Technologie und ihre Weiterentwicklung ist unrealistisch -<br />

unabhängig davon, für wie wünschenswert man ihn im Einzelnen halten mag.<br />

brachliegende Gestaltungspotentiale von Individuen und Gruppen fänden ein Forum. Man wird sehen,<br />

ob und wie sich diese Idee umsetzt.<br />

173 Anders – aber, wie die Praxis zeigt, auch keineswegs eindeutig - stellt sich die Lage dort dar, wo<br />

durch den Einsatz der Technik erhebliches sekundäres Leid verursacht wird, ohne dass realistische<br />

Heilungschancen bestehen. DIE ZEIT vom 19. August 2004 berichtet exemplarisch von einem jetzt mit<br />

acht Jahren gestorbenen Kind. Der Junge war seit seiner verfrühten Geburt schwerstbehindert. Durch<br />

einen Sauerstoffmangel waren sein Gehirn und seine Nieren stark geschädigt. Zweimal wurden ihm<br />

Spendernieren eingesetzt. Blutwäschen über das Bauchfell hielten ihn am Leben. Als die<br />

transplantierten Nieren versagten, benötigte er ständig eine Dialyse zur Entgiftung. Mehrfach musste<br />

er reanimiert werden. Nach drei Jahren gaben die leiblichen Eltern ihn verloren, Pflegeeltern nahmen<br />

sich seiner an und kämpften vehement für die Fortsetzung der medizinischen Maßnahmen. Fünf Jahre<br />

lang waren sie rund um die Uhr für ihn da. In diesem speziellen Fall ist – jedenfalls von außen<br />

betrachtet - der Einsatz der medizinischen Maßnahmen mit dem Blick auf das Wohl des Kindes<br />

zumindest fraglich.<br />

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