WAS TUT GUT? - Universiteit Twente
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Und dann ist es mit der Balance zwischen den verschiedenen Lebensbereichen<br />
auch noch lange nicht getan. Vielmehr stellt sich ganz allgemein im Streben nach<br />
einem gelingenden Leben die Aufgabe, für die Integration gegensätzlicher<br />
Polaritäten, mit denen der Mensch konfrontiert wird oder zu denen es ihn drängt,<br />
Sorge zu tragen. Etwa der Polarität zwischen kognitiver und emotionaler<br />
Welterfahrung, zwischen Anspannung und Entspannung, zwischen Gemeinsamkeit<br />
und Einsamkeit, zwischen Wollen und Lassen, zwischen Kontrolle und Hingabe. „Das<br />
Kunststück vom guten Leben beherrscht, wer es schafft, alle Facetten der eigenen<br />
Existenz in der für ihn richtigen persönlichen Balance zu halten: die öffentlichen wie<br />
die privaten, die betrieblichen wie die familiären Seiten zu kennen, zu mögen und zu<br />
genießen.“ 281<br />
Angesichts dieser vielfältigen Herausforderungen nimmt es nicht Wunder, dass<br />
die Balance seit jeher die Menschheit beschäftigt hat. In der Antike hat sich<br />
besonders Aristoteles in seiner Nikomachischen Ethik eingehend mit ihr befasst. Ihm<br />
zufolge ist das Gute, die Tugend, meistens das Mittlere, ����� zwischen zwei<br />
Extremen. 282 So ist beispielsweise die Tapferkeit, �������, die Mitte zwischen<br />
Feigheit, ������, und Verwegenheit, ��������. 283 Interessant ist dabei Aristoteles’<br />
Überlegung, dass die Mitte immer eine persönliche ist, eine Mitte für uns, ���� ����,<br />
die nicht notwendigerweise durch den gleichen Abstand gegenüber den Extremen<br />
gekennzeichnet ist. Wenn etwa jemand von seiner Wesensart stark zu einer Polarität<br />
neigt, läge seine persönliche Mitte, ����� ���’ ����, jenseits der eigentlichen, eher in<br />
Richtung der gegenüberliegenden Polarität verlagert.<br />
Die jeweilige eigene Mitte zu suchen ist die Aufgabe jeder Einzelnen. Diese<br />
Aufgabe stellt sich immer wieder neu und in immer wieder anderen<br />
Zusammenhängen. Und sie bedarf eines hohen Maßes an Klugheit, die basiert ist auf<br />
„Sensibilität und Gespür, Reflexivität und Urteilskraft“ die die Grundlage einer<br />
reflektierten Lebenskunst bilden. 284 Jedes Individuum macht notgedrungen seine<br />
281<br />
Thomas Gersterkamp. 2002. S. 26<br />
282<br />
‚meist’ „da es auch einige Affekte und Handlungen gibt, die immer und überall schlecht sind, wie<br />
bei den Affekten Schadenfreude, Schamlosigkeit, Neid, und bei den Handlungen Ehebruch, Diebstahl<br />
und Mord.“ In: Michael Hauskeller 1997<br />
283<br />
Michael Hauskeller. 1997. S. 97<br />
284<br />
Vgl. Wilhelm Schmid. 1998. S. 221<br />
211