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Vom Ende der Zeiten

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2. Demokratische Täter-Opfer-Umkehr<br />

Hackert weiter: „Spulen wir den Film zurück. ‚Mutter Arslan hat in Mölln einen guten Namen. Sie<br />

ist die Seele <strong>der</strong> Familie, und sie hat es nicht leicht. Denn da sind ihre drei Söhne: Namuk,<br />

Faruk und Ahmed gelten von Kindesbeinen an als unberechenbar, unehrlich und gewalttätig.<br />

Ganze Nachmittage sitzen Polizisten im Hause Arslan und beschwören die Eltern. Es nutzt<br />

nichts. Faruk, <strong>der</strong> selten arbeitet, verfügt schon früh über Geld. Mit neunzehn fährt er seinen<br />

ersten Mercedes. Bei <strong>der</strong> Polizei legt sich nie Staub auf die Akten <strong>der</strong> drei Brü<strong>der</strong>.<br />

Körperverletzung, Hehlerei, För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Prostitution, Rauschgifthandel. Namuk Arslan schlägt<br />

sich mehrmals mit Polizisten; er wird ausgewiesen.<br />

Ein Fall, <strong>der</strong> Mölln bewegt, ist die Geschichte <strong>der</strong> Birgit H.: Die min<strong>der</strong>jährige Tochter eines<br />

Pensionswirts wird von Faruk auf den Strich geschickt. Ein Hamburger Gericht verurteilt ihn zu<br />

einem Jahr Gefängnis. Die Staatsanwaltschaft hat Berufung eingelegt, weil ihr das Strafmaß zu<br />

gering erscheint. Die Mutter holt Mädchen vom Schwarzen Meer und macht sie zu<br />

Schwiegertöchtern, sie sollen ihre Söhne zähmen. Doch Faruk schlägt seine Frau und hält sie<br />

kurz. ‚Wie oft hat sie hier gesessen und geweint‘, erinnert sich <strong>der</strong> Wirt vom Café ‚Seeblick‘, wo<br />

sie früher ausgeholfen hat. Faruk, heute 29, zieht zu einer Polin in <strong>der</strong> Nachbarstadt. Seine<br />

Geschäfte macht er in Hamburg. Im Februar 1991 verschwindet einer <strong>der</strong> beiden Besitzer des<br />

Saunaclubs ‚Aphrodite‘ in Hamburg-Rahlstedt. Er lebt in einer Möllner Luxusvilla und ist ein<br />

Geschäftsfreund <strong>der</strong> Arslans. Am 25. Mai 1991 zieht man einen Leichnam und einen Kadaver<br />

aus dem Peutekanal: Friedhelm ‚Fredo‘ S. und sein Jack-Russel-Terrier haben je eine 36<br />

Kilogramm schwere Gehwegplatte am Bein. Faruk Arslan brüstet sich in Mölln mit <strong>der</strong> Tat. Die<br />

Polizei vernimmt ihn ergebnislos. Ganz Mölln kennt diese Geschichten. Niemand versteht, wie<br />

die schlimmen Brü<strong>der</strong>, die nie arbeiten und immer Geld haben, die sich mit goldenen Ketten<br />

behängen und in großen Autos herumfahren, immer wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Polizei entwischen.<br />

Als zwei Häuser, in denen Arslans wohnen, brennen, glauben viele Deutsche und Türken zu<br />

wissen: Das war ein Racheakt aus dem Milieu. Aber die Brü<strong>der</strong> selbst wohnen nicht in den<br />

Häusern. In den Flammen stirbt qualvoll die Mutter, Bahide. Die Möllner bringen das alles nicht<br />

zusammen.‘ 464<br />

Der Verfasser hingegen glaubt an eine Geheimdienstprovokation. Seiner Ansicht nach weisen<br />

die politischen Begleitumstände, wie auch diverse Ähnlichkeiten zum Fall Solingen in diese<br />

Richtung.“ [1, Seite 46, 47]<br />

464 DIE ZEIT, „Mölln, Deutschland - Der Name einer Kleinstadt steht weltweit für Fremdenhaß und nationalen<br />

Wahn. Aus <strong>der</strong> Nähe betrachtet, weicht das Klischee einer komplizierten Wirklichkeit. Nur eines steht fest: Die Gewalt<br />

ist da“, 11.12.1992, Artikel v. Thomas Kleine-Brockhoff, Kuno Kruse u. Ulrich Stock<br />

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