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Vom Ende der Zeiten

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5. VÖLKERWELT. Schönheit des Lebens<br />

Wieviele an<strong>der</strong>e Familien war auch seine von <strong>der</strong> Teilung<br />

Deutschlands persönlich betroffen. Dieses und weitere Erlebnisse<br />

veranlaßten ihn als jungen Lie<strong>der</strong>macher, das Heimatvertriebenen-<br />

Lied des österreichischen Dichters Karl Leipert Mitte <strong>der</strong> achtziger<br />

Jahre (1986) zu vertonen, in dem das Vertreibungsunrecht <strong>der</strong><br />

Sudetendeutschen aus ihrer angestammten Heimat geschil<strong>der</strong>t<br />

und das Recht auf Selbstbestimmung, Freiheit und Bewahrung <strong>der</strong><br />

eigenen Identität für das deutsche Volk in <strong>der</strong> Gegenwart gefor<strong>der</strong>t<br />

wird. Frank Rennicke schil<strong>der</strong>te die Gründe die ihn zum Vertonen<br />

und Singen des Heimatvertriebenen-Liedes bewogen nicht etwa,<br />

weil das Gericht von ihm wissen wollte, wie es zu <strong>der</strong> ‚Tat‘ kam<br />

(etwas, was jedem Schwerkriminellen zugestanden wird und<br />

teilweise sogar sogenannte Gutachter beschäftigt), son<strong>der</strong>n auf<br />

Nachfrage seiner Frau Ute.<br />

Das Gericht schien sich nicht so recht dafür zu interessieren. Sämtliche entlastenden Beweise<br />

wurden vom Staatsanwalt ignoriert, er for<strong>der</strong>te für Frank Rennicke wegen ‚Volksverhetzung‘<br />

eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten ohne Bewährung und für Ute Rennicke<br />

wegen Beihilfe sechs Monate auf drei Jahre Bewährung. Verteidiger Horst Mahler ging in<br />

seinem fast neunstündigen Plädoyer umfangreich auf die skandalöse Strafverfolgung wegen<br />

des Heimatvertriebenen-Liedes, den verfassungsfeindlichen § 130 StGB und die Einschränkung<br />

<strong>der</strong> Meinungs- und Kunstfreiheit ein. Eindrucksvoll verurteilte er die totalitären Machenschaften<br />

<strong>der</strong> Herrschenden und for<strong>der</strong>te Richter und Schöffen auf, das Grundgesetz zu wahren. In<br />

insgesamt 90 Hilfsbeweisanträgen for<strong>der</strong>te er das Gericht auf, den Wahrheitsgehalt <strong>der</strong> Schrift<br />

‚Dokumente <strong>der</strong> Verteidigung‘ zu untersuchen.<br />

Dann sprach Ute Rennicke ihre Schlußworte. Sie verlas zunächst zwei abartige Drohbriefe mit<br />

Morddrohungen gegen ihre Familie und ging auf die absurden Unterstellungen des<br />

Staatsanwaltes ein. Sie erwähnte nochmals die entlastenden abgehörten Telefongespräche und<br />

fragte sich, wie ein Staatsanwalt ernsthaft davon ausgehen kann, daß eine Hausfrau und Mutter<br />

von fünf Kin<strong>der</strong>n noch die Zeit übrig hat, in einem Verlag und Versand mitzuarbeiten.“<br />

Einschub <strong>der</strong> Schlußworte von Ute Rennicke (Prozeß 09.10.2002, LG Stuttgart):<br />

‚So sehr mich diese Briefe, wir erhielten bereits etliche dieser Art und Dr. Weiler verlas bereits<br />

einige davon in seinem Plädoyer, verängstigen, so groß ist auch mein Zorn über die, die das<br />

erst hervorrufen. Ich denke da u. a. an gewisse Staatsanwälte und Journalisten. Wir werden zu<br />

Freiwild gemacht. Einer unserer Söhne (11 Jahre alt) wird bereits in Ehningen beschimpft,<br />

bedroht und geschlagen und zwar aufgrund von Zeitungsberichten! Gehört wohl auch zum<br />

Aufstand <strong>der</strong> Anständigen! In <strong>der</strong> Zeitung liest man von angeblichen Morddrohungen gegen<br />

unsere Familie, anstatt ordentlich nachzuforschen und bei uns einmal anzufragen, welcher Art<br />

die Drohungen sind. Nein, es wird bewußt gelogen und verdreht. …<br />

Das alles hier kommt mir vor wie ein böser Traum. Warum sitze ich eigentlich auf <strong>der</strong><br />

Anklagebank? Weil ich vor 13 Jahren Frank Rennicke geheiratet habe? Kann das <strong>der</strong> Grund<br />

sein? Was will man damit erreichen? Sollen wir auf diese Art und Weise mürbe gemacht<br />

werden? Ich glaube, es gibt nicht viele Frauen, die sich das nur annähernd vorstellen,<br />

geschweige denn ertragen könnten, was ich im Laufe <strong>der</strong> letzten Jahre erlebt habe. Ich hatte<br />

vorher eine an<strong>der</strong>e Vorstellung von diesem Staat, aber langsam bin ich aufgewacht.<br />

Als Kind von Heimatvertriebenen, mein Vater wurde mit seiner Familie aus dem Sudetenland<br />

vertrieben, meine Mutter, damals 6-jährig, mußte mit Mutter, 4-jähriger Schwester und<br />

neugeborenem Bru<strong>der</strong> 1945 vor den Sowjetrussen aus Ostpreußen fliehen, als Kind dieser<br />

Eltern hab ich aufgrund von Erzählungen früh begreifen müssen, daß die Vertreibung ein<br />

großes Unrecht und keine ‚erzwungene Wan<strong>der</strong>schaft‘ war, wie <strong>der</strong> damalige Bundespräsident<br />

von Weizsäcker vor Jahren meinte. Meine drei Geschwister und ich wurden zu kritischen,<br />

wahrheitsliebenden Menschen erzogen, erfuhren die Achtung vor <strong>der</strong> Schöpfung und die Liebe<br />

zu unserer Heimat. Mein Mann und ich haben uns damals gefunden, u. a. weil wir im an<strong>der</strong>n<br />

auch die gleiche Liebe zu unserem Land gesehen haben.<br />

Warum muß man sich nun rechtfertigen für etwas, was selbstverständlich ist? Wegen des<br />

Heimatvertriebenenliedes sitzen wir u. a. hier auf <strong>der</strong> Anklagebank, wo zuvor Kriminelle,<br />

Drogenhändler, Mör<strong>der</strong> und Sexualstraftäter gesessen haben. Ich bin mir beim besten Willen<br />

keiner strafbaren Handlung bewußt.<br />

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