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Vom Ende der Zeiten

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5. VÖLKERWELT. Schönheit des Lebens<br />

SIPPE. Sippe 1870 heißt in <strong>der</strong> Grundbedeutung Blutsverwandtschaft, Friede. Höchste Aufgabe<br />

<strong>der</strong> Sippe war es also, innerhalb <strong>der</strong> Verwandten den Frieden zu sichern. Sobald man aber aus<br />

dem engen Sippenverband in die Weite des Staates vorstieß, mußte eine neue, den Frieden<br />

sichernde Macht geschaffen werden. Es wurde die Aufgabe <strong>der</strong> staatlichen Organe, die im alten<br />

Rechtsdenken vorhandenen sittlichen Grundsätze mit den hinzugetretenen Erfor<strong>der</strong>nissen einer<br />

verwickelteren Lebensführung zu neuen Rechtssatzungen umzuformen und ihnen durch die<br />

Volksversammlung Rechtskraft zu verleihen. …<br />

Die patriarchalische Familie, Vater, Mutter und die unverheirateten Kin<strong>der</strong>, bildete, wie bei den<br />

meisten Völkern, auch bei den Germanen die Keimzelle alles gesellschaftlichen Lebens. Diese<br />

enge Familie wuchs zur Großfamilie, wenn die verheirateten Söhne, gelegentlich auch die<br />

Töchter, in <strong>der</strong> Hausgemeinschaft verblieben, an<strong>der</strong>e Verwandte und auch noch die Knechte<br />

und Mägde sich im Kreis gesellten. Die Sippe umfaßte außer den Familienangehörigen auch die<br />

übrigen Blutsverwandten. Ihre Mitglie<strong>der</strong> siedelten beisammen in <strong>der</strong>selben Dorfgemeinschaft.<br />

Ihre verwandtschaftliche Zusammengehörigkeit bezeugen z. B. die vielen Ortsnamen mit <strong>der</strong><br />

Endung -ingen. Der Sippe fielen allgemeine und persönliche Aufgaben zu. Sie regelte die<br />

Vormundschaft, trat bei Verlobungsfeierlichkeiten sozusagen als verhandelnde Partei auf, war<br />

zur Unterstützung <strong>der</strong> in Not geratenen Sippenmitglie<strong>der</strong> verpflichtet und stellte bei einem<br />

Rechtsstreit die Eideshelfer. War ein Sippengenosse angegriffen worden, mußte ihn die Sippe<br />

mit Waffen verteidigen; wurde er verletzt o<strong>der</strong> getötet, fiel ihr die Blutrache zu. Diese war,<br />

solang eine staatliche Gewalt fehlte, <strong>der</strong> wirksamste Schutz. Denn je<strong>der</strong> mußte sich vor Augen<br />

halten, daß er bei einer Bluttat von <strong>der</strong> ganzen Sippe des Getöteten o<strong>der</strong> Verletzten verfolgt<br />

wurde. Da aber die Rache zu endlosen Streitigkeiten und immer wie<strong>der</strong> neuen Totschlägen<br />

führen mußte, so versuchte man schon frühzeitig, die Blutrache durch Bußzahlung abzulösen.<br />

Im Krieg kämpfte die Sippe in geschlossenen Abteilungen. Tacitus sah darin einen beson<strong>der</strong>en<br />

Anreiz zur Tapferkeit.“ 1871 [58, Seite 91, 92, 95]<br />

„Die germanische Auffassung von <strong>der</strong> Gemeinschaft (Gemeinschaftsethik) wurde die Idee<br />

gegenübergestellt, daß im Vor<strong>der</strong>grund allen Lebens die Sorge um das eigene Ich, das<br />

Individuum, den Einzelmenschen, zu stehen habe (individualistisches Prinzip). …<br />

Durch die Überbewertung des Materiellen vom wirtschaftlichen Standpunkt her kam es zur<br />

Klassenbildung und zur Sprengung <strong>der</strong> Volksgemeinschaft (Gewinnsucht, Ichsucht,<br />

unbegrenzter Kapitalismus als Folge). Nicht <strong>der</strong> Charaktervolle genoß das größere Ansehen,<br />

son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Reiche. Beginn <strong>der</strong> Geldherrschaft (Plutokratie). Die tragenden Ideen waren also:<br />

Individualismus, Materialismus, Internationalismus, Parlamentarismus, Kapitalismus. Sie<br />

bedeuteten eine völlige Umwertung aller germanischen Werte.<br />

1870 Sippe (ahd.) die,-/-n 1) über die Kleinfamilie hinausgehende Lebensgemeinschaft von Blutverwandten (im<br />

Unterschied zum Klan), verbunden durch ein ausgeprägtes Gruppenbewußtsein (Autorität v. S.-Ältesten, Ahnenverehrung,<br />

Heiratsordnung u. ä.), nicht notwendig an einem Ort zusammenlebend. Die S. ist für die gesellschaftl.<br />

Organisation vieler Völker die grundlegende Sozialeinheit. In <strong>der</strong> frühen dt. Geschichte war die S. Rechts- und<br />

Friedensverband, Siedlungsgemeinschaft, Wehreinheit, Kulturgemeinschaft, Trägerin <strong>der</strong> Blutrache; sie verlor die<br />

Bedeutung erst allmählich im MA., als Staat und Kirche viele ihrer Funktionen übernahm.<br />

2) Biologie: Abstammungsgemeinschaft, Individuen einer Art, die in best. genet. Merkmalen übereinstimmen.<br />

1871 Tacitus, „Germania“, VIII<br />

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