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Vom Ende der Zeiten

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2. Demokratische Täter-Opfer-Umkehr<br />

Noch bedeutsamer ist Knoblochs Feststellung, daß Denken<br />

die Juden verunglimpfe. Will sagen, Denkverbote kommen<br />

Juden entgegen, und wenn diese Verbote aufgehoben<br />

werden, wird‚ ‚die ganze jüdische Gemeinschaft‘ diffamiert.<br />

Dieser Eindruck wird noch dadurch gestützt, daß <strong>der</strong><br />

Vorsitzende des Zentralrats <strong>der</strong> Juden in Deutschland, Paul<br />

Spiegel, am 04. Juni vor <strong>der</strong> Landtagsfraktion <strong>der</strong> CDU in<br />

Düsseldorf mahnte: ‚Mit dem Schielen auf bestimmte<br />

Wählerschichten bricht Möllemann Tabus, die nicht<br />

gebrochen werden dürfen.‘ Daraufhin rief er zum ‚Aufstand<br />

<strong>der</strong> Demokraten‘ auf. Es gehe nunmehr gar darum, ‚die<br />

‚Demokratie‘ in diesem Lande zu schützen.‘<br />

Bild 129: „Möllemann hat sich als Antisemit geoutet, sich in die Reihe <strong>der</strong> Volksverhetzer<br />

eingereiht und steht politisch in <strong>der</strong> Nähe von Hai<strong>der</strong>.“ 702<br />

Ein eigenartiges Demokratieverständnis. Wenn Tabus gebrochen und Denkverbote aufgehoben<br />

werden, ist ihre Demokratie in Gefahr? [24, Seite 138-141]<br />

In einer ganzseitigen Anzeige in <strong>der</strong> FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG zeigte sich im<br />

Mai 2002 ‚eine spontan zusammengetretene Initiative besorgter Bürger‘ bestürzt über die<br />

jüngste Entwicklung innerhalb <strong>der</strong> FDP. Unter <strong>der</strong> Regie von Möllemann werde versucht,<br />

‚Stimmen aus dem braunen Sumpf zu gewinnen, indem antiisraelische und antijüdische<br />

Ressentiments unter dem Deckmantel vermeintlicher Kritik an <strong>der</strong> israelischen Regierung und<br />

<strong>der</strong>en Ministerpräsidenten, Ariel Scharon, angesprochen werden. Die Unverbrämtheit, mit <strong>der</strong><br />

Möllemann dabei seine bereits bekannte Israelfeindlichkeit zutage treten läßt und gleichzeitig<br />

historische Tatsachen des Nahostkonfliktes bewußt ignoriert, stellt alles bisher Dagewesene in<br />

den Schatten.‘ 703 Welche historischen Tatsachen Möllemann konkret ignorierte, wurde nicht<br />

weiter ausgeführt. Gavin Evans, Journalist einer südafrikanischen Wochenzeitung und selbst<br />

Jude, kommt nach einer kritischen Betrachtung <strong>der</strong> historischen Tatsachen im Nahostkonflikt zu<br />

dem Schluß, daß Israel auf Waffengewalt und Enteignung aufgebaut worden sei. Was einst<br />

israelische Terroristen, zum Beispiel Menachem Begin, wie Obama Friedensnobelpreisträger,<br />

und Jitzchak Schamir, begonnen hätten, sei <strong>Ende</strong> <strong>der</strong> vierziger Jahre mit den Füllfe<strong>der</strong>haltern<br />

<strong>der</strong> Politiker und Anwälte beendet worden. 704 Das sind historische Tatsachen. Möllemann hat<br />

sich aus gutem Grund jedoch viel dezenter ausgedrückt.<br />

Im Mai 2002 flog <strong>der</strong> FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle nach Israel. Es war seine erste<br />

auslandspolitische Reise überhaupt und, realistisch gesehen, nur mit <strong>der</strong> damals noch<br />

bestehenden Möglichkeit zu erklären, nach den Bundestagswahlen Außenminister zu werden.<br />

Erwartungsgemäß wurde <strong>der</strong> FDP-Politiker gleich am ersten Tag seiner Reise mit<br />

innerdeutschen Angelegenheiten konfrontiert. Demonstrativ sagte <strong>der</strong> Oppositionsführer Jossi<br />

Sarid ein Treffen mit dem Deutschen kurzfristig ab. Der Vorsitzende <strong>der</strong> Meeretz-Partei ließ das<br />

damit begründen, daß es in <strong>der</strong> Partei Westerwelles ‚nationalistische und antisemitische<br />

Äußerungen‘ gebe, denen <strong>der</strong> FDP-Vorsitzende nicht entschieden genug begegne. Da half es<br />

auch nicht, daß Westerwelle, <strong>der</strong> sich ja auf Einladung <strong>der</strong> israelischen Regierung in Tel Aviv<br />

und Jerusalem aufhielt, brav hervorzuheben wußte, daß ‚<strong>der</strong> Antisemitismus von allen<br />

Demokraten‘ bekämpft werden müsse. Ins Gästebuch von Jad Vaschem schrieb er<br />

zukunftsweisend: ‚Geschichte endet nicht mit einer neuen Generation. Wir bleiben in ihrer<br />

Verantwortung. Die Würde des Menschen ist unantastbar.‘ 705 [24, Seite 142, 143]<br />

In den innerdeutschen Streit über die Äußerungen Möllemanns zu Israel und den Juden in<br />

Deutschland blendete sich auch <strong>der</strong> Kanzlerkandidat <strong>der</strong> Unionsparteien Edmund Stoiber ein.<br />

Der FAZ vertraute Stoiber an: ‚Das Spielen mit dem Feuer des Antisemitismus aus<br />

wahltaktischen Gründen ist zutiefst verantwortungslos. Die beson<strong>der</strong>e geschichtliche<br />

Verantwortung Deutschlands für Israel und die jüdischen Bürger unseres Landes gehört in<br />

Deutschland zur Staatsräson und ist Konsens aller demokratischen Parteien.‘ 706<br />

[24, Seite 143-145]<br />

702 DER SPIEGEL, „FDP - Für den Zentralrat <strong>der</strong> Juden ist Möllemann ein Antisemit“, 23.05.2002<br />

703 Frankfurter Allgemeine Zeitung, „Gegen den Stimmenfang <strong>der</strong> Liberalen im braunen Sumpf“, 29.05.2002, S. 9<br />

704 The Sunday Independent, „Israel is built on force of arms and dispossession“, 18.08.2002, S. 9<br />

705 Financial Times Deutschland, „Westerwelle muß sich in Israel scharfe Kritik anhören“, 27.05.2002<br />

706 Frankfurter Allgemeine Zeitung, „Harte Worte gegen Westerwelle in Jerusalem“, 28.05.2002, S. 3<br />

202

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