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Vom Ende der Zeiten

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2. Demokratische Täter-Opfer-Umkehr<br />

Die Bundesanwaltschaft mißt diesen Zeugenaussagen keine Bedeutung zu. So glaubt sie<br />

insbeson<strong>der</strong>e, daß die Schritte von an<strong>der</strong>en Hausbewohnern stammten und das<br />

Wasserrauschen durch das Fauchen einer großen Feuerflamme entstanden sei.<br />

Diese Schlüsse sind zwar zulässig, jedoch bei weitem nicht zwingend. Ich erinnere in diesem<br />

Zusammenhang auch an die ursprüngliche Einschätzung des Sachverständigen Dr. Krönke,<br />

daß er die Brandentstehung durch das Hineintragen größerer Mengen von Brandlegungsmitteln<br />

für wahrscheinlicher hielt, als durch den Wurf von Brandflaschen. Da ich auch, wie gerade<br />

dargelegt, die Annahme eines Durchzündungseffektes nicht als plausibel ansehe, messe ich<br />

gerade diesen Zeugenaussagen eine beson<strong>der</strong>e Bedeutung zu. Diese Geräusche können eben<br />

doch eines Fremden sein, <strong>der</strong> durch den Hintereingang bis in den Bereich Flur/Treppenhaus<br />

des ersten Obergeschosses ging. Die Fließgeräusche können eben doch vom Ausgießen eines<br />

Benzinkanisters stammen. Die Beweisaufnahme konnte diese Annahmen nicht wi<strong>der</strong>legen.<br />

Somit gehört auch die Variante, daß ein Frem<strong>der</strong> in das Haus eindrang und dort Feuer legte, zu<br />

den nachvollziehbaren und schlüssigen Möglichkeiten <strong>der</strong> Brandentstehung. …<br />

Zusammenfassend ist es aus meiner Sicht nicht möglich, im Fall Ratzeburger Straße 13 einen<br />

Einklang zwischen den Spuren am Brandort, den Zeugenaussagen und den Geständnissen <strong>der</strong><br />

Angeklagten herzustellen. Das Geständnis des Angeklagten C. vom 30. November 1992 steht<br />

sogar in einem offenen Wi<strong>der</strong>spruch zu den Feststellungen des ballistischen Sachverständigen.<br />

Danach ist <strong>der</strong> Primärbrandort im hinteren Teil des ersten Obergeschosses von dem<br />

angeblichen Abwurfort auf dem Bürgersteig von einem direkten Wurf gar nicht erreichbar.<br />

Deshalb ist mir die Schlußfolgerung <strong>der</strong> Bundesanwaltschaft, es handele sich um<br />

‚weitestgehend stimmige‘ Ausführungen, so nicht erklärlich. [69, Seite 137]<br />

Der Angeklagte P. hat in verschiedenen Vernehmungen, am 02. Februar 1993 sogar unter<br />

Anfertigung von Skizzen, Angaben zu seiner angeblichen Brandstiftung in <strong>der</strong> Mühlenstraße<br />

gemacht. In diesen Aussagen bekundete <strong>der</strong> Angeklagte P. wie<strong>der</strong>holt und übereinstimmend,<br />

daß er beim Abwurf seines Molotow-Cocktails auf <strong>der</strong> Straße und von dort aus gesehen im<br />

rechten Bereich des Hauses gestanden habe. Er habe seinen Molotow-Cocktail ‚ziemlich hoch‘<br />

bzw. ‚so hoch wie möglich‘ gegen die Giebelseite des Hauses geworfen. Der Molotow-Cocktail<br />

sei dann etwa in Höhe des zweiten Obergeschosses aufgetroffen, die Außenfassade im oberen<br />

Teil des Hauses habe gebrannt. … Zwischen den Einlassungen des Angeklagten P., den<br />

Spuren am Brandort und den Zeugenaussagen ist überhaupt kein Einklang herzustellen. …<br />

Die fehlenden Übereinstimmungen zwischen den Aussagen des Angeklagten P. und dem<br />

Ergebnis <strong>der</strong> Beweisaufnahme verleitet die Bundesanwaltschaft zu <strong>der</strong> Annahme, daß P. in <strong>der</strong><br />

Mühlenstraße gar keinen Molotow-Cocktail geworfen hat. An dieser Stelle muß sich die<br />

Bundesanwaltschaft fragen lassen, nach welchem Maßstab sie Teile des Geständnisses als<br />

glaubhaft bezeichnet und welche Teile des Geständnisses sie bei ihren Schlußfolgerungen<br />

außer acht läßt.<br />

Die Bundesanwaltschaft stützt sich bei ihrem Tatvorwurf bezüglich <strong>der</strong> Mühlenstraße auf die<br />

Einlassungen des Angeklagten C. und die Bekundungen <strong>der</strong> ‚kindlichen Zeugin‘. Die<br />

umfassende Würdigung <strong>der</strong> ‚kindlichen Zeugin‘ in dem Plädoyer <strong>der</strong> Bundesanwaltschaft<br />

begegnet Bedenken. In ihrem Abschlußplädoyer referiert die Bundesanwaltschaft ausführlich<br />

den Inhalt <strong>der</strong> polizeilichen Vernehmungsprotokolle. Tatsächlich hat die ‚kindliche Zeugin‘ aber<br />

in <strong>der</strong> Hauptverhandlung nichts gesagt. Nach den Bekundungen <strong>der</strong> Sachverständigen<br />

Schnittker bleibt von den Bekundungen <strong>der</strong> ‚kindlichen Zeugin‘ letztlich übrig, daß irgendwann in<br />

<strong>der</strong> Nacht vom 22. auf den 23. November 1992 ein heller Kleinwagen vor dem Haus<br />

Mühlenstraße 9 anhielt. Diesem Kleinwagen sind dann zwei Personen, welche unterschiedlich<br />

groß waren und Masken trugen, entstiegen. Die kleinere dieser beiden Personen ist auf <strong>der</strong><br />

Fahrerseite ausgestiegen und hat vom Gang zum Kurpark aus etwas mit links an die Fassade<br />

geworfen. Die an<strong>der</strong>e ist im Hausflur verschwunden. …<br />

Erstaunlicherweise fehlt von den angeblich zwei Molotow-Cocktails wie<strong>der</strong>um jede Spur. Sowohl<br />

in den Bekundungen <strong>der</strong> Hausbewohner, als auch aus den Feststellungen des<br />

Brandsachverständigen läßt sich kein Anhaltspunkt für das Auftreffen von Molotow-Cocktails in<br />

Räumen mit den Fenstern zur Frontseite des Hauses feststellen. … Ich kann somit nur<br />

feststellen, daß die These des Brandsachverständigen Dr. Krönke zur Brandentstehung im<br />

Hause Mühlenstraße 9 zwar grundsätzlich im Bereich des Möglichen liegen, <strong>der</strong> Grad <strong>der</strong><br />

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