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Vom Ende der Zeiten

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2. Demokratische Täter-Opfer-Umkehr<br />

Eigentlich habe er gar nichts gegen Türken. Aber er und seine Kumpel seien schon von Türken<br />

aus <strong>der</strong> Disco rausgejagt worden, wenn sie, als Skins erkennbar, sich da aufgehalten hätten.<br />

‚Ich find es Scheiße, daß es Tote bei diesen beiden Attentaten gegeben hat, daß das passiert<br />

ist.‘ Er bringe es nicht, sagt er, in <strong>der</strong> Verhandlung zu sagen, daß ihm das Ganze nahegehe.<br />

Vorher habe er ja auch keinen Haß gegen Asylanten gehabt. Erst als die sich im Dorf ‚so<br />

aufgeführt‘ hätten, so ein schönes, sauberes Dorf sei das gewesen, das habe ‚nachher‘<br />

ausgesehen! ‚Dann kamen die Einbrüche im Dorf, am hellichten Tag in Wohnungen. O<strong>der</strong> die<br />

gingen auf den Hof und klauten Spielsachen von den Kin<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> Klamotten von <strong>der</strong> Leine.<br />

Das hat es vorher nicht gegeben. Ja, er habe das auch selbst erlebt. ‚Meiner Nichte und<br />

meinem Neffen haben die Spielzeug geklaut.‘ Er habe das vom Fenster aus beobachtet, sei<br />

dann runter und habe es ‚denen wie<strong>der</strong> abgenommen. Die Kin<strong>der</strong> von seiner Schwester<br />

bedeuten ihm sehr viel, die sind ihm ‚sehr wichtig.‘ Drei Jahre alt sei <strong>der</strong> Junge und das<br />

Mädchen fünf o<strong>der</strong> sechs. Auf jeden Fall würde er, hätte er eigene Kin<strong>der</strong>, alles besser machen,<br />

als er es selbst erlebt habe. ‚Schläge gibt’s überhaupt nicht, das wär das letzte!‘“<br />

[69, Seite 59-61]<br />

„Sie fürchten die Türken, ‚mit ihrer Blutrache und was die da haben‘. Einer aus ihrer Clique<br />

wurde schon zusammengeschlagen. Ahmed und Faruk Arslan hatten den 24-jährigen Tobias<br />

am Morgen nach dem Brandanschlag in <strong>der</strong> Goethestraße beim Brötchenholen überrascht.<br />

Doppelter Kieferbruch, jetzt liegt er in <strong>der</strong> Lübecker Universitätsklinik.“ 494<br />

Günter Kahl beschreibt die Mutter Michael Peters und <strong>der</strong>en Freund: „Sie ist arbeitslos, geht ein<br />

bißchen putzen. Altenpflegerin wollte sie werden, aber das wurde nichts. Jetzt ist sie 48 und<br />

ihren Sohn Michael liebt sie über alles. … Eine große Brille in einem kleinen Gesicht. Sie geht<br />

gekrümmt, und das Klischee vom kleinen Vogel paßt auf sie. … Ihre politische Meinung: ‚Es<br />

kommen zu viele Auslän<strong>der</strong> nach Deutschland rein (= die Regierung lockt Auslän<strong>der</strong> an). Da<br />

kommt einer, und <strong>der</strong> holt alle nach. Onkel, Tante, Opa und so weiter. Da sind doch schon mehr<br />

Auslän<strong>der</strong> hier, als Deutsche. Protest dagegen, ja! Aber dafür bringt man doch keinen um!‘ …<br />

Es erscheint dann auch noch <strong>der</strong> Verlobte <strong>der</strong> Mutter.<br />

Er ist Arbeiter, sagt er. Seine leise Stimme macht ihn winzig. Er ist <strong>der</strong> Nachfolger eines<br />

brutalen, alkoholabhängigen Ehemannes, <strong>der</strong> das Geld <strong>der</strong> Familie vertrank, Frau und Kin<strong>der</strong><br />

immer wie<strong>der</strong> schlug. Der Verlobte weiß ganz wenig, und das sagt er oft. Dann kann er gehen<br />

Es sind wirklich ganz kleine Leute.“ [69, Seite 81-83]<br />

„Auf einer Demonstration in Dortmund sagte Rita Süssmuth: ‚Zeigen wir, daß WIR stärker sind<br />

als jene brutalen radikalen Gruppen, die UNS (Bonzen) das Fürchten lehren wollen.'“ 495<br />

494 DIE ZEIT, „Mölln, Deutschland - Der Name einer Kleinstadt steht weltweit für Fremdenhaß und nationalen Wahn.<br />

Aus <strong>der</strong> Nähe betrachtet, weicht das Klischee einer komplizierten Wirklichkeit. Nur eines steht fest: Die Gewalt ist da“,<br />

11.12.1992, Artikel v. Thomas Kleine-Brockhoff, Kuno Kruse u. Ulrich Stock<br />

495 WELT am SONNTAG, „Straßenschlacht zwischen Türken bei Demo in Mölln", 29.11.1992, S. 1<br />

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