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Vom Ende der Zeiten

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2. Demokratische Täter-Opfer-Umkehr<br />

„Schier fassungslos waren die Richter, als sich Schmitt<br />

außerstande sah, konstante Angaben über etwa jene 20 Männer<br />

zu machen, die er angeblich dem Verfassungsschutz als mögliche<br />

Verdächtige des Brandanschlages genannt haben soll.<br />

Wie konkret denn sein Verdacht gegen die Männer gewesen war,<br />

die er beim Verfassungsschutz anschwärzte, wollte <strong>der</strong> Senatsvorsitzende<br />

Wolfgang Steffen wissen. Schmitts Antwort:<br />

So einen richtig konkreten Verdacht habe er nicht gehabt, aber<br />

gemeldet habe er trotzdem.‘“ 579<br />

„Ausweichend, unpräzise und manchmal beleidigt: Der vor zwei<br />

Monaten im Solinger Prozeß enttarnte V-Mann des NRW-<br />

Verfassungsschutzes hatte gestern Probleme mit seiner Rolle als<br />

Zeuge. Beim Verfassungsschutz galt <strong>der</strong> Kampfsportlehrer Bernd<br />

Schmitt (50) 580 als einer <strong>der</strong> wichtigsten Informanten.<br />

Bild 105: „Verfassungsschutz-Agent Bernd Schmitt erstellte damals im Auftrag des NRW-Innenministers<br />

Dr. jur. Herbert Schnoor (Bild re.) und unter Ägide des Ex-Staatssekretär im Bundesinnenministerium,<br />

Hans Neusel, die Persönlichkeitspsychogramme <strong>der</strong> bei ihm trainierenden<br />

Jugendlichen.“<br />

‚Nachrichtenehrlich und zuverlässig‘ nannte ihn Innenminister Schnorr (SPD). Schmitt hatte<br />

damals in <strong>der</strong> Szene Informationen eingeholt, auch den Namen eines <strong>der</strong> vier Angeklagten<br />

weitergegeben.“ 581<br />

„Schüler Schmitts und gleichzeitig Mitglie<strong>der</strong> des von ihm gegründeten Deutschen<br />

Hochleistungskampfkunstverband (DHKKV) waren die Angeklagten Markus G. (24), <strong>der</strong> 17-<br />

jährige Felix und Christian B. (21). Christian und Felix bestreiten ihre Beteiligung an <strong>der</strong> Tat.“ 582<br />

„Unmittelbar nach dem Brandanschlag hatte Schmitt umfangreiches Aktenmaterial aus seiner<br />

Kampfsportschule, in <strong>der</strong> <strong>der</strong> DHKKV residierte, wegschaffen lassen. Die von Nachbarn<br />

herbeigerufene Polizei ließ Schmidt seinerzeit ungestört passieren. In einem Solinger Keller, <strong>der</strong><br />

dem Vater von Schmitts Lebensgefährtin gehört, stieß die Polizei dann ein dreiviertel Jahr<br />

später auf das Material. Ob es noch vollständig war, steht dahin. Gut 55.000 Blatt Papier fanden<br />

die Beamten: nicht nur ‚rechtes‘ Propagandamaterial, son<strong>der</strong>n auch Anleitungen zum Bau von<br />

Molotowcocktails, Observationsprotokolle und genaue Lageskizzen von überwiegend von<br />

Auslän<strong>der</strong>n bewohnten Häusern in Solingen, Bonn, Köln und Wuppertal.<br />

Im Düsseldorfer Prozeß haben die Hinterbliebenen <strong>der</strong> Solinger Mordopfer die Einführung<br />

dieser Akten in den Prozeß beantragt. Eine Entscheidung steht noch aus. Die Bundesanwaltschaft<br />

hält die Beiziehung für ‚nicht geboten‘, weil ‚neue Erkenntnisse in Bezug auf die<br />

Tat nicht zu erwarten‘ seien, so Bundesanwalt Dirk Fernholz. Nach Aussage von Fernholz hat<br />

das BKA die Akten längst gesichtet und nichts für den Prozeß Wesentliches gefunden.“ 583<br />

„Die vier angeblich Schuldigen wurden durch den Verfassungsschutz-Agenten Bernd Schmitt<br />

aufgetrieben. Sie verkehrten in seiner, vom Verfassungsschutz finanzierten Kampfsportschule<br />

‚Hak Pao‘, die zu einem Trainingscenter für national orientierte Jugendliche ausgebaut wurde. In<br />

dieser Funktion erstellte er im Auftrag des NRW-Innenministers Herbert Schnoor (SPD) und<br />

unter <strong>der</strong> Ägide des Ex-Staatssekretärs im Innenministerium, Hans Neusel, die<br />

Persönlichkeitspsychogramme <strong>der</strong> bei ihm trainierenden Jugendlichen. Auf <strong>der</strong> Grundlage<br />

dieser Psychogramme wurden die zu verurteilenden Jugendlichen selektiert. Gefragt waren<br />

ganz junge Bübchen mit labiler Charakterhaltung, damit man bei <strong>der</strong> Präparierung <strong>der</strong><br />

Geständnisse nicht auf unnötigen Wi<strong>der</strong>stand stieß.“ [1, Seite 51]<br />

Die ZEIT bangt: „Bleiben die Anschläge von Mölln und Solingen, die überall als Inbegriff des<br />

‚deutschen Fremdenhasses‘ gelten, am <strong>Ende</strong> ungestraft?“ 584<br />

579 Frankfurter Rundschau, „Des V-Mannes Motto: Nichts gehört, nichts gesehen, nichts sagen - Bernd Schmitt als<br />

Zeuge im Prozeß zum Solinger Brandanschlag“, 04.08.1994, S. 1, Artikel v. Reinhard Voss<br />

580 Süddeutsche Zeitung, „Solinger V-Mann hat 17 Vorstrafen“, 11.08.1994, S. 5<br />

581 WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE, „‚Ich bin kein Heiliger‘, sagt <strong>der</strong> V-Mann Schmitt vor Gericht - Solinger<br />

Anschlag rückt bei Vernehmung in den Hintergrund“, 04.08.1994, S. 2, Artikel v. Stefan Wette<br />

582 Süddeutsche Zeitung, „Überraschendes indirektes Eingeständnis im Solingen Prozeß - Kampfsportlehrer war V-<br />

Mann - Drei <strong>der</strong> vier Angeklagten trainierten in seiner Sportschule“, 05.06.1994, S. 6<br />

583 taz, „Solingen: V-Mann mischte mächtig mit Leiter <strong>der</strong> rechten Kampfsportschule ‚Hak-Pao‘ war Mitarbeiter des<br />

Düsseldorfer Verfassungsschutzes - Er hat die Angeklagten im Solinger Mordprozeß für Hak-Pao angeworben“,<br />

28.05.1994, S. 5, Artikel v. Walter Jakobs<br />

584 DIE ZEIT, „Nach den Mordanschlägen von Mölln und Solingen: Es gibt noch immer Zweifel an <strong>der</strong> Schuld <strong>der</strong><br />

mutmaßlichen Täter: Die Qual mit dem Rechtstaat“, 03.12.1993, Artikel v. Martin Klingst<br />

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