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Vom Ende der Zeiten

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2. Demokratische Täter-Opfer-Umkehr<br />

Fahrtstrecke, die über Büchen führt, einen Zeitraum von etwa 35 Minuten an. … Bei<br />

Berücksichtigung dieses Sachverhaltes muß Frau P. mit ihrem Sohn dann in Schwarzenbek<br />

etwa gegen 23.00 Uhr eingetroffen sein. Nach den übereinstimmenden Schil<strong>der</strong>ungen haben<br />

sie sich zunächst begrüßt, kurz unterhalten und zusammen eine Zigarette geraucht. Bei<br />

Berücksichtigung <strong>der</strong> übereinstimmend geschil<strong>der</strong>ten Handlungen einerseits und <strong>der</strong> sich aus<br />

den fehlenden Zeitangaben ergebenden Ungewißheiten an<strong>der</strong>erseits ergibt sich für das<br />

gemeinsame Verweilen im Wohnzimmer bei vorsichtiger und zurückhalten<strong>der</strong> Betrachtung<br />

mindestens ein Zeitraum von einer Stunde, <strong>der</strong> damit bis mindestens 24.00 Uhr gedauert haben<br />

muß. Wenn die Darstellung des Angeklagten P. richtig sei soll, hätte dieser unmittelbar<br />

nachdem seine Mutter die Schlafzimmertür hinter sich geschlossen hatte, die Wohnung<br />

verlassen müssen, um dann auf dem von ihm geschil<strong>der</strong>ten Weg die Shell-Tankstelle erreichen<br />

und von dort aus per Anhalter nach Mölln fahren zu können.<br />

Selbst wenn an <strong>der</strong> von mir vorgenommenen zeitlichen Berechnung bei einzelnen<br />

Teilabschnitten noch insgesamt eine Viertelstunde eingespart werden könnte, bleibt es<br />

zwangsläufig dabei, daß <strong>der</strong> Angeklagte nicht <strong>der</strong> Täter gewesen sein kann und damit auch die<br />

gesamten Geständnisse hinfällig sind. Untermauert wird dieses Ergebnis noch dadurch, daß<br />

sich <strong>der</strong> von dem Angeklagten P. erwähnte Fahrer, <strong>der</strong> ihn von Schwarzenbek nach Mölln<br />

gebracht haben soll, bis zum heutigen Tage nicht gemeldet hat. …<br />

Bei <strong>der</strong> Frage, ob sich aus den Gutachten des Brandsachverständigen Dr. Krönke be- und<br />

entlastende Feststellungen ergeben; o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s ausgedrückt, ob die Geständnisse <strong>der</strong><br />

Angeklagten damit im Einklang o<strong>der</strong> im Wi<strong>der</strong>spruch stehen, ist zunächst von dem vorläufigen<br />

Untersuchungsbericht vom 25.11.1992 auszugehen.<br />

Beide Brandobjekte sind am 23.11.1992 und 24.11.1992 von dem Sachverständigen in<br />

Augenschein genommen worden. Die Schil<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Flammenausbreitung durch<br />

Tathergangszeugen haben vorgelegen und sind dabei berücksichtigt worden. … Der Vergleich<br />

<strong>der</strong> tatsächlichen Feststellungen mit den Geständnissen <strong>der</strong> Angeklagten ergibt, daß eine<br />

Brandentstehung durch Hineinwerfen einer o<strong>der</strong> mehrerer Flaschen unwahrscheinlich ist. …<br />

Angesichts <strong>der</strong> im Hause herrschenden Ruhe, das vergleichsweise leise Knistern <strong>der</strong> Flammen<br />

wurde gehört, wäre das mit einem lauten Knall verbundene Einschlagen einer o<strong>der</strong> gar<br />

mehrerer Brandflaschen mit Sicherheit nicht überhört worden. Da an <strong>der</strong> Zuverlässigkeit dieser<br />

Bekundungen keine Zweifel bestehen, werden diese nicht einfach übergangen werden können.<br />

Sie bestätigen vielmehr die von dem Sachverständigen Dr. Krönke selbst für wahrscheinlich<br />

erachtete Möglichkeit, daß das Feuer durch das Hineintragen <strong>der</strong> Flüssigkeit durch die hintere<br />

Haustür bis zur Treppe entstanden ist. Insoweit sind die Bekundungen für die Feststellung <strong>der</strong><br />

Brandursache zumindest mit großer Vorsicht zu genießen. … Aufgrund <strong>der</strong> Feststellungen <strong>der</strong><br />

beiden Sachverständigen muß vielmehr davon ausgegangen werden, daß es äußerst<br />

unwahrscheinlich gewesen sein müßte, eine Flasche so werfen zu können, daß diese zunächst<br />

eine Fensterscheibe durchbricht und dann anschließend ohne Beschädigung in die Tiefe des<br />

Hauses gelangen konnte. Hinsichtlich des Hauses Mühlenstraße hat <strong>der</strong> Sachverständige Dr.<br />

Krönke berichtet, es habe die Möglichkeit bestanden, eine Flasche gegen o<strong>der</strong> vor die<br />

Zwischentür zu werfen, so daß diese zersplittert und die Flüssigkeit dann unter dem Türspalt<br />

hindurchfließt. Das Feuer sei dann von außen unter die Tür hindurch in den vor die Treppe<br />

gelegenen Raum gedrungen.<br />

Diese Möglichkeit würde voraussetzen, daß <strong>der</strong> Täter die Brandflasche mit einer erheblichen<br />

Energie in den Flur geworfen hätte. Der von dem Sachverständigen Nennstiel gefertigte<br />

Videofilm zeigte, daß diese Alternative nur dann funktioniert hätte, wenn die Flasche nicht<br />

gegen, son<strong>der</strong>n unmittelbar vor <strong>der</strong> Tür aufgeschlagen wäre. Eine <strong>der</strong>artige Möglichkeit stimmt<br />

jedoch nicht mit den Beobachtungen <strong>der</strong> kindlichen Zeugin überein, die berichtet hatte, <strong>der</strong><br />

Täter habe die Flasche im Flur des Hauses ausgeschüttet. Sie steht weiterhin im Wi<strong>der</strong>spruch<br />

mit dem wi<strong>der</strong>rufenen Geständnis des Angeklagten C., nachdem dieser in den Flur fünf bis<br />

sechs Meter hineingelaufen und die Flasche dort hingeworfen haben will. … Dafür, daß <strong>der</strong><br />

Angeklagte C. die Flasche durch eine in <strong>der</strong> Tür befindliche Fensterscheibe geworfen haben<br />

könnte, gibt es keine Anhaltspunkte. … Werden die von den Zeugen, insbeson<strong>der</strong>e den<br />

Hausbewohnern bekundeten Einzelheiten mit den Feststellungen <strong>der</strong> Sachverständigen<br />

verglichen, ergibt sich, daß die Angeklagten in weiten Teilen eine zumindest<br />

unwahrscheinlichen Geschehensablauf geschil<strong>der</strong>t haben. Die Richtigkeit einzelner Details, wie<br />

z. B. das Werfen von Brandflaschen an die Vor<strong>der</strong>seite des Hauses Mühlenstraße, wurden<br />

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