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Vom Ende der Zeiten

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5. VÖLKERWELT. Schönheit des Lebens<br />

„Dank dieser Fähigkeit kann <strong>der</strong> Mensch sich auch gegen elementare Triebimpulse, gegen das<br />

Parlament seiner Instinkte, entscheiden. So rangiert unserer natürlichen Neigung zufolge die<br />

Familie in unserem fürsorglichen Interesse an erster Stelle. Es gibt jedoch Situationen, in denen<br />

ein kulturell aufgeprägtes, aber ebenfalls die angeborenen Dispositionen <strong>der</strong> Gruppenloyalität<br />

ausnützendes Staatsethos gebietet, gegen die ‚Natur‘ zu handeln. …<br />

Alle Staaten stehen, wie bereits Herbert Spencer bemerkte, vor <strong>der</strong> schwierigen Aufgabe, nach<br />

außen verteidigungsbereit zu sein und im Inneren den Frieden zu erhalten. Damit besteht nach<br />

Arnold Gehlen (1969) ein Gegensatz zwischen dem auf das Staatsvolk ausgeweiteten Familienethos<br />

<strong>der</strong> Friedlichkeit und dem wachsamen Ethos des gerüsteten Staates. [8, Seite 44, 45]<br />

Welche Entscheidungshilfen kann die Biologie geben? Der Biologe bringt zunächst einmal das<br />

Denken in an<strong>der</strong>en Zeitdimensionen ein. Er weiß um unser stammesgeschichtliches<br />

Gewordensein, und er weiß um die Wirkmechanismen <strong>der</strong> Evolution. Er weiß, daß Überleben<br />

immer Überleben in Nachkommen, und zwar in eigenen o<strong>der</strong> zumindest den Nachkommen<br />

naher Verwandter, bedeutet. Er weiß ferner um die Natur des genetischen Codes, um das<br />

Wirken von Auslese und Ausmerze, und daß die Natur dabei keine unserem ethischen<br />

Empfinden entsprechende Moral kennt. Die Bejahung des Willens zum Leben sollte als Axiom<br />

(Grundsatz) anerkannt werden. Es könnte ja einer aus misanthroper (menschenfeindlicher)<br />

Veranlagung auch den Untergang allen Lebens, <strong>der</strong> Menschheit o<strong>der</strong> seines Volkes wollen: aus<br />

Lebenshaß o<strong>der</strong> aus Entsetzen über das Leid <strong>der</strong> Welt, in <strong>der</strong> Tiere wie Menschen davon leben,<br />

daß sie an<strong>der</strong>es Leben zerstören. Vielmehr betone ich immer wie<strong>der</strong>, daß es kein für uns<br />

erkennbares Interesse <strong>der</strong> Natur an irgendeiner Art von Lebewesen gibt, wohl aber ein<br />

Überlebensinteresse als Eigeninteresse, und das zu vertreten wurden alle, auch wir Menschen,<br />

im Laufe einer langen Stammesgeschichte programmiert. Darüber muß Bescheid wissen, wer<br />

immer vor politische Entscheidungen gestellt ist. Auch muß man wissen, daß beim Menschen<br />

die Selektion nicht nur am einzelnen, dem Individuum, angreift, son<strong>der</strong>n auch auf<br />

Gruppenebene und daß daher ein rücksichtsloser Individualismus nicht zu verantworten ist.<br />

Was immer wir Menschen tun o<strong>der</strong> auch unterlassen, kann unsere Fähigkeit, in Nachkommen<br />

zu überleben, kurz, unsere ‚Eignung‘ för<strong>der</strong>nd o<strong>der</strong> hemmend beeinflussen. Die Evolution läuft<br />

über die Weitergabe des individuellen Erbgutes, das auch in den Verwandten eines Individuums<br />

mit einer berechenbaren Wahrscheinlichkeit weitergereicht wird.<br />

Die heute auf eine Restpopulation geschrumpfte polynesische Bevölkerung <strong>der</strong> Hawaii-Inseln<br />

lebt nicht in den eingewan<strong>der</strong>ten Japanern, Europäern o<strong>der</strong> Chinesen weiter. Würde sie völlig<br />

verdrängt, dann bedeutete das ihr Aussterben, ihren Untergang. Dabei werten wir immer nach<br />

menschlichen Maßstäben, eine artneutrale Ethik kann es nicht geben. Sarah Blaffer-Hrdy (1988)<br />

stellte die Frage: ‚Warum finden wir es bewun<strong>der</strong>nswürdig, wenn jemand Kin<strong>der</strong> aufzieht und<br />

nicht Kaulquappen?‘ Daß sich in uns die Schöpfung zum erstenmal ihrer selbst bewußt wurde,<br />

verpflichtet uns, das Überleben als Richtwert anzuerkennen und so zu handeln, daß es auch<br />

künftigen Generationen möglich ist, sich ihres Lebens zu erfreuen.“ [8, Seite 46-51]<br />

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