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Vom Ende der Zeiten

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5. VÖLKERWELT. Schönheit des Lebens<br />

„Aus den empirischen Erkenntnissen <strong>der</strong><br />

mo<strong>der</strong>nen Ethologie geht deutlich hervor, daß die<br />

Absteckung einer territorialen Grenze<br />

keineswegs durch ‚Zufall‘ o<strong>der</strong> ‚Willkür‘<br />

geschieht, son<strong>der</strong>n ganz einfach auf Erbanlagen<br />

zurückzuführen ist. Erlung Kohl bezieht sich auf<br />

Konrad Lorenz, um nachzuweisen, daß das<br />

kulturelle Leben und Gedeihen eines Volkes o<strong>der</strong><br />

Stammes eng mit <strong>der</strong> Absteckung eines eigenen<br />

Gebietes zusammenhängt, das ihm die getrennte<br />

Entwicklung gewährleistet, die es unbedingt<br />

braucht, um sich eine Identität zu geben und sich<br />

zu behaupten. Mit <strong>der</strong> Achtung <strong>der</strong> territorialen<br />

Unversehrtheit steht und fällt die Aufrechterhaltung<br />

des Friedens: ‚Ein friedliches Miteinan<strong>der</strong> verschiedener Völker ist möglich‘, sagt Eibl-<br />

Eibesfeldt in diesem Zusammenhang, ‚wenn jede Ethnie ihr eigenes Land und ihre eigenen<br />

Angelegenheiten ohne Furcht vor repressiver Dominanz regeln kann.‘“ 1726 [38, Seite 108]<br />

„Die Konkurrenz zwischen Gruppen um begrenzte Ressourcen wie kultivierbares Land o<strong>der</strong><br />

Jagdgebiete wurde bei uns oft in kämpferischer Weise ausgetragen. Solche Kämpfe endeten<br />

dann mit <strong>der</strong> Vertreibung, Unterjochung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> physischen Vernichtung des Gegners. …<br />

Der Krieg steckt sicher nicht in unseren Genen, aber als kulturelle Anpassung nützt er<br />

angeborene agonistische 1727 Dispositionen (Verhaltensweise) und unterdrückt die prosozialen<br />

Dispositionen dem Feind gegenüber. Er hat insofern mit den Genen zu tun, weil es die Gene <strong>der</strong><br />

Siegreichen sind, die bevorzugt weitergegeben werden. Die Gruppenausrottung in Neuguinea,<br />

von <strong>der</strong> J. Soltis, R. Boyd und P J. Richerson (1995) berichten, ist beachtlich, obgleich die<br />

Autoren betonen, daß viele <strong>der</strong> Besiegten und ihres Landes verlustig Gegangenen als<br />

Flüchtlinge absorbiert wurden. Wir können auch in solchen Fällen davon ausgehen, daß <strong>der</strong><br />

Verlust <strong>der</strong> Ressourcen die Überlebenstüchtigkeit <strong>der</strong> Verlierer nicht gerade för<strong>der</strong>te. Der Krieg<br />

ist eben nicht, wie manche behaupten, nur eine pathologische Entgleisung einer im Grunde<br />

friedlichen Menschennatur. Er ist ein kulturell entwickelter Mechanismus im Dominanzwettstreit<br />

um Territorien und an<strong>der</strong>e Ressourcen (zum Leben und Überleben).“ [8, Seite 85, 89, 90]<br />

Irenäus Eibl-Eibesfeldt schreibt: „Wir Menschen reagieren mit Abwehr, wenn wir unsere Identität<br />

bedroht meinen, und dieser Fall tritt ein, wenn sich Menschen in großer Zahl in einem bereits<br />

dichtbesiedelten Gebiet nie<strong>der</strong>lassen, ohne die Kultur und Lebensart <strong>der</strong> Ortsansässigen<br />

anzunehmen. Dann werden sie als Fremde und als um die gleichen Ressourcen konkurrierende<br />

Eindringlinge (und nicht als hilfsbedürftige Flüchtlinge) empfunden. Und diese Wahrnehmung ist<br />

ja nicht unbegründet, denn sich abkapselnde Einwan<strong>der</strong>er bilden ja Solidargemeinschaften, die<br />

zunächst ihr Eigeninteresse vertreten. Unterscheiden sie sich überdies durch eine höhere<br />

Fortpflanzungsrate von <strong>der</strong> eingesessenen Bevölkerung, dann verschärft das die Probleme (<strong>der</strong><br />

Kolonisierung) und die daraus erwachsenden Gegensätze.“ 1728 [42, Seite 64]<br />

Heß schreibt: „Der gesellige Mensch bedarf, wie die geselligen Pflanzen und Tiere, zu seinem<br />

Gedeihen und Fortkommen eines weiten, freien Bodens, ohne welchen er zum Schmarotzer<br />

herabsinkt, <strong>der</strong> sich nur auf Kosten frem<strong>der</strong> Produktion ernähren kann.“ [55, Seite 94]<br />

Irenäus Eibl-Eibesfeldt unterstreicht in einem Interview: „Es wird nicht in Rechnung gestellt, daß<br />

wir, wie alle Organismen, in einer langen Stammesgeschichte daraufhin selektiert wurden, in<br />

eigenen Nachkommen zu überleben und daß Xenophobie, Fremdenscheu, nicht Fremdenhaß,<br />

stammesgeschichtlich veranlagt ist. Das ist in <strong>der</strong> Evolution selektiert worden, um die<br />

Vermischung zu verhin<strong>der</strong>n. Die Fremdenscheu des Kleinkindes sichert die Bindung an die<br />

Mutter. Später hat <strong>der</strong> Mensch das familiale Ethos zum Kleingruppenethos gemacht. Mit <strong>der</strong><br />

Entwicklung von Großgruppen (Stamm) erfolgte eine weitere Abgrenzung. Jedoch, wer keine<br />

Kin<strong>der</strong> in die Welt setzt, steigt aus dem Abenteuer <strong>der</strong> weiteren Entwicklung aus, die Natur sorgt<br />

schon dafür, daß dann <strong>der</strong>en Gene nicht weiterleben.<br />

1726 Irenäus Eibl-Eibesfeldt: „Wi<strong>der</strong> die Mißtrauensgesellschaft?“, 1994, S. 157<br />

1727 Agonismus, wird in <strong>der</strong> Verhaltensbiologie die Gesamtheit aller Verhaltensweisen bezeichnet, die mit zwischenmenschlicher<br />

Rivalität, Wettbewerb und Konkurrenz verbunden sind; wie z. B. ein mit Gewalt verbundener Angriff<br />

(Aggressivität), o<strong>der</strong> die des Verteidigens, des Beharrens, des Zurückweichens o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Flucht.<br />

1728 Irenäus Eibl-Eibesfeldt, „Ist <strong>der</strong> Mensch paradiesfähig? - Antworten“, in: Berliner Debatte INITIAL, 2/1992, S. 12f.<br />

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