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Vom Ende der Zeiten

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3. <strong>Vom</strong> <strong>Ende</strong> <strong>der</strong> <strong>Zeiten</strong><br />

David Korn schreibt: „Neben dem Pro-Palästina-Komitee gab es<br />

zur Weimarer Zeit noch zwei weitere Netzwerke, in denen Juden<br />

und Nichtjuden eng zusammenwirkten: Der Deutsche<br />

Volksgemeinschaftsdienst und <strong>der</strong> Verein zur Abwehr des<br />

Antisemitismus. Beim Deutschen Volksgemeinschaftsdienst, <strong>der</strong><br />

auch im Gewande ‚Büro Wilhelmstraße‘ o<strong>der</strong> ‚Ausschuß für<br />

Volksaufklärung‘ in Erscheinung trat, handelte es sich um eine<br />

‚getarnte Propagandastelle‘, so <strong>der</strong> jüdische Historiker Arnold<br />

Paucker, <strong>der</strong> über die Arbeit <strong>der</strong> Gruppierung mehrere<br />

aufschlußreiche Studien veröffentlicht hat (‚Der jüdische<br />

Abwehrkampf gegen Antisemitismus und Nationalsozialismus in<br />

den letzten Jahren <strong>der</strong> Weimarer Republik‘, Hamburger Beiträge<br />

zur Zeitgeschichte, Band IV, Hamburg 1968; ‚Die Abwehr des Antisemitismus in den Jahren<br />

1893-1933‘, im Sammelband ‚Antisemitismus. Von <strong>der</strong> Judenfeindschaft zum Holocaust‘,<br />

Frankfurt am Main/New York 1985; ‚Jüdischer Wi<strong>der</strong>stand in Deutschland‘, Beiträge zum<br />

Wi<strong>der</strong>stand 1933-45, Heft 37, Berlin 1989).<br />

‚Dienst‘/‚Büro‘/‚Ausschuß‘ kooperierten eng mit dem jüdischen Centralverein (CV), <strong>der</strong><br />

wichtigsten seinerzeitigen Vereinigung <strong>der</strong> Israeliten im Deutschen Reich. Über die Initiatoren<br />

<strong>der</strong> ‚getarnten Propagandastelle‘ schreibt Paucker: ‚Sie wußten bereits 1929, daß man dem<br />

Nazismus nur mit einem militanten und massiven jüdischen Gegenangriff begegnen könne.‘<br />

Wobei es darauf angekommen sei, ‚daß <strong>der</strong> jüdische ‚Pferdefuß‘ selbstverständlich nicht in<br />

Erscheinung treten sollte‘. Weshalb man sich hinter allen möglichen Parteien und Institutionen<br />

verschanzte, um Politik und Medien zu beeinflussen. Ausgefeilte Tricks bestanden z. B. darin,<br />

judenkritische o<strong>der</strong> -feindliche Organe mit angeblich authentischen, in Wahrheit aber maßlos<br />

aufgebauschten o<strong>der</strong> frei erfundenen Nachrichten über die ‚jüdische Gefahr‘ zu füttern, welche<br />

rasch als Lügen platzten und die Glaubwürdigkeit <strong>der</strong> betroffenen Medien erschütterten. Auch<br />

setzte man Gerüchte über ‚jüdische Herkunft‘ bzw. ‚jüdische Finanzierung‘ antisemitisch<br />

agieren<strong>der</strong> Politiker, nicht zuletzt Hitlers, in Umlauf, um diese bei ihren Anhängern unmöglich zu<br />

machen. Manche dieser kuriosen Geschichten ‚lebt‘ heute noch. Man infiltrierte das<br />

judenfeindliche Lager mit Agents provocateurs o<strong>der</strong> V-Leuten. Mit Geld versuchte man, den<br />

Spaltpilz bei den Antisemiten zu züchten, was relativ am erfolgreichsten war, denn die Gruppen<br />

zerfetzten sich meist selbst. Eine weitere wichtige Aufgabe <strong>der</strong> jüdischen Propagandastelle<br />

bestand darin, Medien und Veranstaltungen <strong>der</strong> gegnerischen Szene mit Argusaugen zu<br />

überwachen und jede sich bietende Gelegenheit zu nutzen, die ‚an<strong>der</strong>e Feldpostnummer‘ in<br />

Gerichtsverfahren zu verwickeln. Die Geldmittel stammten hauptsächlich von jüdischen<br />

Geschäftsleuten. Zuständig für Finanzbeschaffung im getarnten anti-antisemitischen Feldzug<br />

war <strong>der</strong> Centralvereins-Funktionär Julius Bamberger, Eigentümer einer Warenhauskette mit<br />

Hauptsitz in Bremen. Als Chefs <strong>der</strong> Propagandastelle mit Zentrale in <strong>der</strong> Berliner Wilhelmstraße<br />

wirkten Hans Reichmann (CV Syndikus), Walter Gyßling (Verfasser von ‚Der Anti-Nazi‘, einer<br />

‚geballten Ladung‘ gegen die NSDAP, gemixt aus Wahrheiten und Horrorstorys) und Adolf<br />

Rubinstein (alias ‚Stone‘, so sein Tarnname). Zu den Hauptberatern gehörte <strong>der</strong> aus Rußland<br />

stammende, jüdischstämmige Sozialist Serge Chakotin, von Haus aus Biologe. Von ihm weiß<br />

Paucker: ‚Er baute sein Propagandasystem auf Pawlows Reflextheorie auf.‘ Chakotin erfand<br />

beispielsweise die drei Pfeile <strong>der</strong> roten ‚Eisernen Front‘ als allgemeines ‚Antifa-Symbol‘.“<br />

[5, Seite 58, 59]<br />

Der bekannte deutsch-jüdische Schriftsteller Carl Zuckmayer zum Untergang Weimars, seinen<br />

Kampf gegen die links-nationalen Sozialisten und einer kleinen Lüge, die er unterbringt:<br />

„Wir haben versäumt, als unsere Zeit und unsere Stunde war, ihnen zuvorzukommen. Als Carlo<br />

Mierendorff das Symbol <strong>der</strong> drei Pfeile erfand, mit dem junge Sozialisten nachts die<br />

Hakenkreuze übermalten, war es zu spät, um sie noch zum Symbol jener großen Volksteile<br />

werden zu lassen, die sich seit Jahren verlassen und ausgeschaltet fühlten. Den Massen <strong>der</strong><br />

Arbeitslosen waren Worte und Symbole egal, nicht aber die warme Suppe, die in den<br />

‚Verkehrslokalen‘ <strong>der</strong> SA ausgegeben wurde. Daß das Geld hierfür von <strong>der</strong> gleichen<br />

Großindustrie gespendet wurde, die sie ausgesperrt und abgebaut hatte, bedachten o<strong>der</strong><br />

wußten sie nicht. Ich selbst wurde Mitglied <strong>der</strong> ‚Eisernen Front‘, die einzige politische<br />

Organisation, <strong>der</strong> ich je angehört habe. Es war zu spät und zu wenig.“ [6, Seite 367]<br />

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