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Vom Ende der Zeiten

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5. VÖLKERWELT. Schönheit des Lebens<br />

Das Volk als Verhaltensgruppe<br />

„Die Antriebe und Motive für das soziale<br />

Handeln <strong>der</strong> Menschen in Familie, Gruppe<br />

und Volk entstammen überwiegend<br />

instinktiven Schichten. 1754 …<br />

Im Gegensatz zum instinktmäßig<br />

weitgehend vorprogrammierten Tier treten<br />

beim Menschen größere Instinktlücken auf,<br />

die durch Lernen o<strong>der</strong> Prägung ausgefüllt<br />

werden müssen. Die Bedingungen dieses<br />

Lern o<strong>der</strong> Prägungsvorganges sind im<br />

wesentlichen genetisch festgelegt 1755 . Ihnen<br />

sollte im Reifeprozeß des jungen Menschen<br />

möglichst Rechnung getragen werden. In<br />

<strong>der</strong> Tradition eines Volkes liegt dafür eine in<br />

vielen Generationen bewährte Erfahrung<br />

vor, so daß das Volk aus dem<br />

Bild 338: Die bunte Vielfalt <strong>der</strong> Europiden: blond, braun o<strong>der</strong> dunkel.<br />

Gesichtspunkt <strong>der</strong> Verhaltensforschung die für eine optimale Erziehung richtige Gemeinschaft<br />

ist. Deswegen ist auch die Tradition für ein Volk so wichtig. Konrad Lorenz hat aus seinen<br />

naturwissenschaftlichen Studien die Tradition als die Voraussetzung je<strong>der</strong> hohen Kultur erkannt.<br />

Er hat angesichts <strong>der</strong> Nachkriegsentwicklung in Deutschland vor <strong>der</strong> Zerstörung <strong>der</strong> Tradition<br />

gewarnt und das Abreißenlassen <strong>der</strong> Tradition als eine <strong>der</strong> ‚acht Todsünden <strong>der</strong> zivilisierten<br />

Menschheit‘ in unseren Tagen bezeichnet. 1756<br />

Denn die Tradition bedeutet für das geistige Leben einer Kultur dasselbe wie die Erbanlagen für<br />

die biologische Substanz. Ohne Tradition gibt es keine Weitergabe und damit kein Weiterleben<br />

des geistigen Erbes früherer Generationen. Ohne die Tradition und ihre bedeutende<br />

Entlastungsfunktion bei Neuschöpfungen kann sich keine Kultur auf ihrer Höhe halten: ‚Wenn<br />

die äußeren Sicherungen und Stabilisierungen, die in den festen Traditionen liegen, entfallen<br />

und mit abgebaut werden, dann wird unser Verhalten entformt, affektbestimmt, triebhaft,<br />

unberechenbar, unzuverlässig. Und wenn man die Stützen wegschlägt, primitivisieren wir sehr<br />

schnell.‘ 1757 Da allein das Volk die große Traditionsgemeinschaft sein kann, die Jahrhun<strong>der</strong>te<br />

und Staatsformen überdauerte, ist zur Erhaltung <strong>der</strong> Überlieferung das Volk erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Tradition und Volk sind Voraussetzungen für die Würde und Eigenart des Menschen.<br />

[13, Seite 124, 125]<br />

Ein jedes Volk ist auch eine Sprach- und eine geschichtliche Gemeinschaft. In <strong>der</strong> Geschichte<br />

haben sich die Völker dauerhafter als ihre Staaten erwiesen. Sie überlebten ungebrochen<br />

mehrfach das Werden und Vergehen staatlicher Gebilde und erzwungener Spaltungen. Unsere<br />

Gegenwart bietet im wie<strong>der</strong>vereinigten Deutschland ein aktuelles Beispiel mit eindrucksvollem<br />

Ablauf: Obwohl große Teile <strong>der</strong> geistigen und politischen Führungsschicht sich längst mit <strong>der</strong><br />

endgültigen Spaltung abgefunden hatte und den Status quo sogar zu verfestigen suchten,<br />

erzwang das Volk die Än<strong>der</strong>ung und setzte sich über alles Trennende hinweg. Die<br />

Anschlußbewegungen in den zwanziger und dreißiger Jahren beruhten auf <strong>der</strong>selben Haltung,<br />

die <strong>der</strong> damalige österreichische Bundeskanzler Seipl 1926, als noch das (alliierte)<br />

Anschlußverbot galt, in die Worte faßte: ‚Für uns ist die Nation, unabhängig von <strong>der</strong><br />

Staatszugehörigkeit, die große Kulturgemeinschaft; sie steht uns Deutschen höher als <strong>der</strong><br />

Staat.‘“ [13, Seite 129]<br />

Die Befürworter <strong>der</strong> Vermischung geben zu bedenken: „Mo<strong>der</strong>ne Industriegesellschaften, wie<br />

die europäischen, seien schon aufgrund ihres Wesens und ihrer Anfor<strong>der</strong>ungen an die<br />

Menschen Stätten von lebendiger Vielfalt und Heterogenität, und dies bereits ohne Auslän<strong>der</strong>.<br />

Die Gefahr <strong>der</strong> sogenannten Überfremdung unserer Kultur und unserer Sprache, die Gefahr des<br />

Verlustes <strong>der</strong> Identitäten, ja sogar die Zerrüttung <strong>der</strong> Homogenität <strong>der</strong> deutschen Gesellschaft<br />

sei schon deshalb irreal, weil das scheinbar bedrohte Gut ja gar nicht existiere.“ [13, Seite 9]<br />

1754 Konrad Lorenz, „<strong>Vom</strong> Weltbild des Verhaltensforschers“, 1968, S. 92<br />

1755 J. Monod, „Zufall und Notwendigkeit“, 1971, S. 186<br />

1756 Konrad Lorenz, „Die acht Todsünden <strong>der</strong> zivilisierten Menschheit“, 1973, S. 68<br />

1757 A. Gehlen, „Anthropologische Forschung“, 1961, S. 59<br />

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