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Vom Ende der Zeiten

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2. Demokratische Täter-Opfer-Umkehr<br />

Bild 84: Am 23. November 1992 wurden zwei von Türken bewohnte Häuser in Brand gesetzt. Die<br />

Opfer: die 14-jährige Ayşe Yilmaz, die 51-jährige Bahide Arslan und ihre zehnjährige Enkelin Yeliz<br />

Arslan. Neun Menschen erlitten zum Teil schwere Verletzungen.<br />

„Am Montag und Dienstag äußerten auch führende Politiker die Vermutung, die Täter seien in<br />

Kreise ‚Rechts'radikaler zu suchen. Am Mittwoch nahm die Polizei in Gudow, einem Dorf rund<br />

20 Kilometer von Mölln entfernt, den 25-jährigen Michael Peters fest. Der Generalbundesanwalt<br />

wirft ihm vor, zusammen mit zehn weiteren Deutschen eine ‚(rechts)-terroristische Vereinigung'<br />

gegründet zu haben.“ 465<br />

OFFIZIELLER TATHERGANG. „Lars Christiansen verbrachte den Abend mit ein paar Bieren<br />

und Joints vor dem Fernseher. Kurz vor Mitternacht schnappte er sich eine mit Molotow-<br />

Cocktails gefüllte Bierkiste, sprang in seinen beigen VW-Polo und holte Michael Peters ab.<br />

Zunächst rasten die beiden in die Ratzeburger Straße 13 in Mölln und warfen je zwei<br />

Brandsätze in ein von sechs türkischen Familien bewohntes Haus. Als das Haus schon<br />

lichterloh brannte, riefen sie um 0.31 Uhr bei <strong>der</strong> Feuerwehr an: ‚In <strong>der</strong> Ratzeburger Straße<br />

brennt es. Heil Hitler!‘ Die Bewohner des Hauses kletterten und sprangen aus dem Fenster,<br />

viele verletzten sich schwer, doch alle kamen lebend raus. Dann fuhren die jungen Männer<br />

weiter zur Mühlenstraße 9, dem Wohnhaus <strong>der</strong> Arslans, gossen Benzin in den Flur und warfen<br />

Brandsätze. Der Trödel, <strong>der</strong> sich im Erdgeschoß in einem ehemaligen Laden stapelte, ging<br />

sofort in Flammen auf. Blitzschnell griff <strong>der</strong> Brand aufs Treppenhaus über: dem einzigen<br />

Fluchtweg für die schlafende Familie. Erneut ging ein Anruf bei <strong>der</strong> Feuerwehr ein, diesmal um<br />

1.08 Uhr. ‚In <strong>der</strong> Mühlenstraße brennt es. Heil Hitler!‘, schrien die Täter ins Telefon und<br />

brausten davon.“ 466<br />

Die FAZ weiß zwei Tage nach den Anschlägen zu berichten: „Obwohl Belohnungen von<br />

insgesamt 150.000 Mark ausgesetzt wurden, sind die Ermittler noch auf keine ‚heiße Spur‘ <strong>der</strong><br />

‚rechts‘extremistischen Täter gestoßen. Politiker aller ‚demokratischen‘ Parteien riefen am<br />

Dienstag dazu auf, entschlossener gegen den Terror von ‚rechts‘ zu kämpfen. Mehr als 10.000<br />

Menschen, darunter Tausende Schüler und Studenten in Schleswig-Holstein, bekundeten bei<br />

Demonstrationen und Mahnwachen in Deutschland ihr Entsetzen über die ‚rechtsradikale‘<br />

Gewalt. Bundespräsident von Weizsäcker sagte während seines Besuches in Mexiko,<br />

‚rechtsradikale Zellen‘ müßten zerstört werden. Bundesaußenminister Kinkel schickte dem<br />

türkischen Außenminister ein Beileidstelegramm. Darin hieß es, <strong>der</strong> Tod <strong>der</strong> drei türkischen<br />

Mitbürgerinnen habe ihn und alle Deutschen ‚in höchstem Maße getroffen und erschüttert‘.“ 467<br />

Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Peter Bull (SPD) dankte den 91 Polizisten des Landes,<br />

für ihre schnelle Arbeit. Sie hätten gezeigt, daß sich <strong>der</strong> Staat gegen ‚rechts’extremistische<br />

Gewalt erfolgreich wehren könne.“ 468<br />

465 WELT am SONNTAG, Nr. 48, „Straßenschlacht zwischen Türken und Kurden mit Steinen und Gaspistolen -<br />

Angriffe auf Polizei bei Trauer-Demo in Mölln", 29.11.1992, S. 5<br />

466 DER SPIEGEL, „Brandanschläge von Mölln -‚Wenn ich Böller höre, kommt alles wie<strong>der</strong> hoch‘", 20.11.2012,<br />

Artikel v. Katja Iken<br />

467 Frankfurter Allgemeine Zeitung, „Noch keine Spur <strong>der</strong> Täter von Mölln - Belohnungen für Hinweise - Entsetzen<br />

und Kritik - Weizsäcker: Alle müssen aufwachen und aufpassen“, 25.11.1992, S. 1<br />

468 Kieler Nachrichten, „Skinheads gestehen Möllner Morde: Generalbundesanwalt geht von zwei Tätern aus - Die<br />

Mordanschläge von Mölln sind aufgeklärt. Michael Peters (25), Chef einer Neonazigruppe, und <strong>der</strong> Rechtsextremist<br />

Lars Christiansen (19) haben die Taten gestanden“, 02.12.1992<br />

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