Vom Ende der Zeiten

5. VÖLKERWELT. Schönheit des Lebens
auch die Nachbarstämme, trotz der dem germanischen Volkscharakter eigenen Sonderbestrebungen,
zu gemeinsamen Handeln zu einen. Obwohl seine gegnerischen Landsleute
immer wieder alle heimlichen Vorbereitungen den Römern verrieten, hatten sie keinen Erfolg bei
Varus, weil dieser glaubte, Arminius sei durch die ihm verliehenen Auszeichnungen für Rom
gewonnen. Der Cherusker zeichnete sich durch Tapferkeit und geistige Gewandtheit aus, war
der lateinischen Sprache kundig, kannte aus eigener Erfahrung die römische Kriegskunst, und
seine große Begabung als Feldherr und Staatsmann verschaffte ihm einen immer mehr
wachsenden politischen Einfluß bei seinen Landsleuten. Im Herbst des Jahres 9 n. Chr.
Überfielen die Aufständischen unter Führung Arminius Varus mit seinen drei Legionen im
Teutoburger Wald und vernichteten in einem dreitägigen Kampf das feindliche Heer völlig. Der
Statthalter stürzte sich in der Verzweiflung nach Römerart in sein Schwert.
Der Sieg des Arminius erlangte weltgeschichtliche Bedeutung. Schon Tacitus hatte dem kühnen
Heerführer in seinen Annalen ein bleibendes Denkmal gesetzt, als dem ‚Befreier Germaniens,
der es wagte, das römische Volk nicht in seinen Anfängen herauszufordern, sondern in der
glänzendsten Blüte des Reiches‘. Durch seinen Erfolg vernichtete er die Vorbereitungen eines
großen Planes der Römer, die Grenze, den Elbstrom aufwärts, über Böhmen hinweg in fast
gerader Linie weiter die March entlang bis zur Donau führen und sie dann mit viel geringeren
Truppe halten. Das eroberte Land aber wäre gleich Gallien der allmählichen Romanisierung
verfallen. Durch die heldenmütige Gegenwehr jedoch konnte Germanien, frei von Rom, seinen
eigenen Entwicklungsgang gehen. Die Kunde von der fürchterlichen Niederlage traf den greisen
Kaiser Augustus schwer, er war der Verzweiflung nahe, entließ seine germanische Leibwache,
ließ monatelang Haar und Bart wachsen und soll wiederholt ausgerufen haben: ‚Quinctilius
Varus, gib die Legionen wieder!‘ Die Varus-Schlacht wurde zu einem Wendepunkt der
Völkerschicksale. … Arminius stand auf dem Gipfel der Macht. Es ist unklar, welchem weiteren
Ziel er zustrebte. Ein tragisches Schicksal stellte sich seinem weiteren Erdenlauf entgegen. Man
neidete ihm den schwer erkämpften Ruhm, die Heimat vor dem Zugriff des Feindes gerettet zu
haben; er fiel im Alter von 37 Jahren durch den Morddolch seiner eigenen Verwandten, die
seine überlegene Macht mit Eifersucht und Haß erfüllt hatte. [58, Seite 133-135]
VERFALL. Die erstarkenden und an Volkszahl bedrohlich zunehmenden westgermanischen
Völker drängten gefährlich gegen den schützenden römischen Grenzwall. Die alten Tugenden,
die Rom einst stark gemacht hatten, waren geschwunden, Verwilderung der Sitten
(Zügellosigkeit) und die aus dem Orient eingedrungenen Laster der Ausschweifung und Genußsucht
erschlafften das Volk. Die freien römischen Bauern, einst das Rückgrat des Römerreiches,
sanken zu Colonen herab. Die sinkende Steuerkraft steigerte den Steuerdruck. Die
Bevölkerung nahm ab, Beamte bereicherten sich schamlos am Volksgut, nur eine dünne
Oberschicht schwelgte noch als Nutznießerin im Reichtum. Grausamkeit, Willkür und sinnlose
Verschwendung der Herrscher schufen anarchische Zustände, Aufstände in den Provinzen
wechselten mit Pöbelunruhen und Palastrevolutionen. [58, Seite 144]
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