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Vom Ende der Zeiten

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2. Demokratische Täter-Opfer-Umkehr<br />

sowohl durch die ‚kindliche Zeugin‘, als auch durch<br />

Dr. Krönke eindeutig nicht bestätigt. Hiernach wird<br />

auch mit den Gutachten des Brandsachverständigen<br />

und des Ballistikers <strong>der</strong><br />

Tatnachweis nicht geführt werden können. …<br />

Hohes Gericht, das nunmehr von Ihnen zu fällende<br />

Urteil stellt sicherlich alles an<strong>der</strong>e als eine leichte<br />

Aufgabe dar. Dieses bedeutet ein nach <strong>der</strong><br />

Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit;<br />

vernünftige Zweifel an <strong>der</strong> Täterschaft müssen<br />

ausgeschlossen sein. Die Unschuldsvermutung ist<br />

erst dann wi<strong>der</strong>legt, wenn <strong>der</strong> Beweis mit<br />

lückenlosen, nachvollziehbaren und logischen<br />

Argumenten geführt ist.<br />

Bild 95: Klaus Pfliegers Vorbild, gemäß Dr. Eberhard Foth, Richter am Bundesgerichtshof a. D.,<br />

war Fritz Bauer (re. im Bild). Der jüdische Generalstaatsanwalt war einer <strong>der</strong> führenden Juristen<br />

<strong>der</strong> Nachkriegszeit und galt als oberster „Nazijäger“ <strong>der</strong> Bundesrepublik.<br />

Meine Aufgabe war es, auf Zweifel an <strong>der</strong> Schuld des Angeklagten C. hinzuweisen; Aufgabe<br />

des Gerichtes wird es nun sein, sich hierüber Gewißheit zu verschaffen. Ich bin überzeugt, daß<br />

berechtigte Zweifel bestehen und beantrage deshalb, den Angeklagten C. freizusprechen.“<br />

[69, Seite 168-171]<br />

Als leiten<strong>der</strong> Anwalt <strong>der</strong> Anklage erinnert sich Klaus Pflieger: „Uns Ermittlern war zu Ohren<br />

gekommen (sprich, <strong>der</strong> Pfarrer hat alles weitergegeben), daß Michael Peters den<br />

Anwaltsgeistlichen im Gefängnis gesagt habe, er sei an den Brandanschlägen in Mölln beteiligt<br />

gewesen. Uns ist klar, daß <strong>der</strong> Pfarrer dies vor Gericht nicht bestätigen, son<strong>der</strong>n unter<br />

Bezugnahme auf das Beichtgeheimnis die Aussage verweigern würde. Deshalb frage ich P.<br />

ganz unvermittelt im Prozeß, ob dies zutreffe. Er ist von meinen Fragen so überrascht, daß er<br />

spontan einräumt, daß er dies nicht nur gegenüber dem Geistlichen, son<strong>der</strong>n auch gegenüber<br />

seinem Verteidiger mehrfach so zugegeben habe. Daß dies völlig freie Geständnisse waren, die<br />

er jetzt vor Gericht bestätigt, wird P. erst Sekunden später bewußt.“<br />

Pflieger betont, wie sehr Lars Christiansen krank sein müsse. Er schreibt: „Nach den Plädoyers<br />

von Nebenklage und Verteidigung erhalten die beiden Angeklagten Gelegenheit zu ihrem<br />

letzten Wort. Was Lars C. sagt, berührt mich sehr, weil er sich nicht nur als unschuldig<br />

bezeichnet und in diesem Zusammenhang die Ermittler <strong>der</strong> Aussageerpressung bezichtigt,<br />

son<strong>der</strong>n weil er mich in einer Passage direkt anspricht. 516 …<br />

Diese Erklärung löst wegen ihrer Dramatik nicht nur bei mir, son<strong>der</strong>n auch unter den Medienvertretern<br />

Betroffenheit aus. Die meisten teilten meine Einschätzung, daß C. in fast krankhaftem<br />

Verdrängungsprozeß tatsächlich an seine eigene Unschuld glaubt.<br />

Wachtmeister übergeben mir am nächsten Tag dieses Foto eines Textes, den Lars C. wohl<br />

direkt vor <strong>der</strong> Urteilsverkündung an die Wand <strong>der</strong> Vorführzelle des Gerichtsgebäudes<br />

geschrieben hat; dies ist meines Erachtens ebenfalls ein Ausdruck des bereits beschriebenen<br />

krankhaften Verdrängungsprozesses. Lars Christiansen hatte geschrieben: ‚Ich glaube eher an<br />

die Unschuld einer Hure, als an die Gerechtigkeit <strong>der</strong> (bundes-) deutschen Justiz! Unschuldig<br />

verurteilt! (Ich hoffe nicht) 08.12.1993, 10.53 Uhr.‘“ 517<br />

Günter Kahl, <strong>der</strong> Mann, dem Lars Christiansen fast vollständig vertraute, schreibt im Jahr 2007<br />

über Lars: „Seine Angst verfolgt ihn auf Schritt und Tritt, zeitweise traut er sich nur in Begleitung<br />

von Vollzugsbeamten aus seiner Zelle, sein Gang ist unsicher, seine Miene verschlossen, er will<br />

mit keinem Gefangenen Kontakt haben. In Lars Christiansen hatte sich eine Krankheit, ein<br />

unglückseliges Erbe, mächtig und unaufhaltsam Bahn gebrochen. Es war eine Entwicklung, aus<br />

<strong>der</strong> es für ihn kein Entweichen gab. Aus seiner Täterschaft, so, wie das Gericht sie feststellte,<br />

konnte ihn das nicht befreien. Lars Christiansen lebt heute in einem an<strong>der</strong>en Teil <strong>der</strong> Republik.<br />

Es hat sich bestätigt, was sich früh abzeichnete. Er ist schwer krank, arbeitsunfähig und wird es<br />

lebenslänglich bleiben. Lebenslänglich bleibt auch die Trauer um die Opfer.“ 518<br />

516 Lars Christiansens Schlußplädoyer vom 24.11.1993 folgt im Wortlaut.<br />

517 Klaus Pflieger, „GEGEN DEN TERROR – Erinnerungen eines Staatsanwalts, 2016, S. 261, 262, 266, 268, 269<br />

518 S-H Zeitungsverlag, „BRANDANSCHLAG MÖLLN: Ein Kranker als Staatsfeind?“, 23.11.2007<br />

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