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Vom Ende der Zeiten

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2. Demokratische Täter-Opfer-Umkehr<br />

Selbst für die bis zum heutigen Tage praktizierte gezielte<br />

Liquidierung palästinensischer Wi<strong>der</strong>standskämpfer durch<br />

israelische Mordkommandos, <strong>der</strong> bereits Hun<strong>der</strong>te Menschen zum<br />

Opfer gefallen sind, fand Möllemann deutliche Worte:<br />

‚Der Landesvorsitzende <strong>der</strong> FDP von Nordrhein-Westfalen,<br />

Möllemann, hat dem Staat Israel Staatsterrorismus vorgeworfen. Ein<br />

Staat dürfe sich niemals auf die Ebene von Verbrechern stellen, sagt<br />

Möllemann. Wörtlich: ‚Ein Staat, <strong>der</strong> hingeht und sagt, wir klagen<br />

nicht mehr an, wir beweisen nicht mehr, wir verurteilen nicht mehr,<br />

wir richten ohne ein rechtstaatliches Verfahren hin, beraubt sich<br />

selbst seiner Legitimation <strong>der</strong> Überlegenheit gegenüber<br />

Verbrechern.‘ Gerade zu diesem Staat im Nahen Osten haben aber<br />

führende Vertreter <strong>der</strong> Bundesrepublik ein ausgezeichnetes<br />

Bild 134: Gegen was verstieß Jürgen W. Möllemann eigentlich? Gegen den „demokratischen<br />

Konsens“, den die siegreichen Eliten nach 1945 in <strong>der</strong> BRD etablierte. Möllemann beging Ketzerei.<br />

Seine Kritik war sakrosankt, denn die offizielle Sicht ist: „Gemeinsam mit Israel treten WIR für<br />

Menschenrechte ein, für Respekt und Bewahrung <strong>der</strong> Würde des Einzelnen.“ 724 [19, Seite 83]<br />

Verhältnis, allen voran Bundespräsident Johannes Rau und Außenminister Joschka Fischer. Es<br />

scheint diese Herrschaften nicht so sehr zu stören, daß Israel <strong>der</strong> weltweit einzige Staat ist, <strong>der</strong><br />

seine Gefangenen ganz legal brutal foltert und gezielt Leute umbringen läßt. Die JUNGE WELT<br />

dazu: ‚Trotz des verstärkten Drucks aus Washington hat die israelische Regierung unter Ariel<br />

Scharon erklärt, daß sie an ihrer Politik <strong>der</strong> präventiven Ermordung all jener Palästinenser<br />

festhalten will, die sie für gefährlich hält. Am Donnerstag bezeichnete <strong>der</strong> FDP-Politiker Jürgen<br />

Möllemann diese Politik als ‚Staatsterrorismus', womit er <strong>der</strong> erste deutsche Berufspolitiker war,<br />

<strong>der</strong> die staatlich sanktionierte Mordkampagne <strong>der</strong> israelischen Streitkräfte öffentlich beim<br />

Namen nannte.‘“ 725 [15, Seite 138, 139]<br />

Möllemanns Kritik unterminierte die Akzeptanz und Anerkennung ewiger, doppelter Kollektivschuld.<br />

Der Begriff „Verantwortung“ ist bewußt gewählt worden, um das Wort „Dienen“ nicht<br />

gebrauchen zu müssen. 2008 strich Angela Merkel in Israel ihren Konsens heraus:<br />

„… Die Kanzlerin betonte Deutschlands Bekenntnis zu seiner ‚immerwährenden Verantwortung<br />

für die moralische Katastrophe in seiner Geschichte‘. Einer Relativierung <strong>der</strong> Greueltaten <strong>der</strong><br />

Nazis müsse im Ansatz entgegengetreten werden. ‚Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit<br />

dürfen in Deutschland und Europa nie wie<strong>der</strong> Fuß fassen‘, for<strong>der</strong>te die Kanzlerin.<br />

Das Verhältnis zwischen Israel und Deutschland sei nicht nur wegen <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

einzigartig. Die beiden Staaten verbinde Werte und Interessen, das Einstehen für Demokratie,<br />

Freiheit und Menschenrechte.“ 726<br />

Daß Bekanntwerden vom Unrecht an den Palästinensern gefährdet darüberhinaus auch die<br />

moralische Position <strong>der</strong> bundesdeutschen Elite selbst. Zum „demokratischen Konsens“, zitiert<br />

Claus Nordbruch Klaus Kinkel: „Anläßlich des 30. Jahrestages <strong>der</strong> Aufnahme diplomatischer<br />

Beziehungen mit Israel prophezeite <strong>der</strong> damalige Außenminister Klaus Kinkel, daß auch in<br />

Zukunft ‚sich alle Bundesregierungen ihrer beson<strong>der</strong>en Verantwortung für die ‚sichere Existenz<br />

Israels‘ bewußt seien. Das bleibe ein ‚Grundstein <strong>der</strong> deutschen Außenpolitik wie unseres<br />

Selbstverständnisses als Deutsche‘. 727 [10, Seite 86]<br />

Als Bundespräsident Horst Köhler im Februar 2005 Israel besuchte, inflationierte er<br />

erwartungsgemäß seine Rede mit bekannten Austauschsätzen wie ‚Die Verantwortung für die<br />

Shoah ist Teil <strong>der</strong> deutschen Identität‘, ‚Deutschland steht unverbrüchlich zu Israel‘ und<br />

‚Zwischen Deutschland und Israel kann es nicht das geben, was man Normalität nennt‘. 728 Wer<br />

versucht, an diesem Statut zu rütteln, ist als Systemfeind erkannt.“ [10, Seite 311]<br />

Merkel hat den „demokratischen Konsens“ treffend auf den Punkt gebracht: „Das Existenzrecht<br />

Israels gehört zur deutschen Staatsräson.“ 729 [29, Seite 58]<br />

724 Rede Angela Merkels bei <strong>der</strong> Verleihung des israelischen Staatsordens in Jerusalem, 25.02.2014<br />

725 junge Welt, „Kalkulierter Regionalkrieg - Stratfor-Analyse: Israel plant massive Militärschläge gegen<br />

Palästinenser, Irak und Syrien“, 03.08.2001, Artikel v. Rainer Rupp<br />

726 Frankfurter Allgemeine Zeitung, „Kanzlerin vor <strong>der</strong> Knesset - Merkel: Wir sind mit Israel auf immer verbunden -<br />

‚Nur wenn Deutschland sich zu seiner immerwährenden Verantwortung für die moralische Katastrophe bekennt,<br />

können wir die Zukunft (für uns) menschlich gestalten‘“,18.03.2008<br />

727 Süddeutsche Zeitung, „Kinkel: Verantwortung für Israel“, 12.05.1995, S. 8<br />

728 NATION & EUROPA, Heft 3/2005, S. 7<br />

729 DIE WELT, „Warum sollen unsere Soldaten in den Libanon, Frau Merkel?“, 20.08.2006<br />

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