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Vom Ende der Zeiten

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2. Demokratische Täter-Opfer-Umkehr<br />

Das letzte Wort<br />

24. November 1993. „Bevor ein Strafgericht sich nach den Plädoyers von<br />

Staatsanwaltschaft, Nebenklägervertretern und Verteidigung zur<br />

Beratung <strong>der</strong> Anträge und Entscheidung zurückzieht, wird dem o<strong>der</strong> den<br />

Angeklagten die Gelegenheit zu einer letzten Erklärung hinsichtlich des<br />

Tatvorwurfs gegeben; das sogenannte ‚Letzte Wort‘.<br />

Michael Peters: ‚Ich habe mit den Anschlägen in Mölln nichts zu tun und<br />

somit schließe ich mich dem an, was die Verteidigung gesagt hat.‘<br />

Lars Christiansen: ‚Vor einem Jahr ereigneten sich die Brandanschläge in<br />

Mölln. Schnell wurde nach Tätern gerufen, und eine Woche später<br />

präsentierte die Bundesanwaltschaft danach stolz die beiden angeblichen<br />

Sündenböcke. Sie haben beide Geständnisse abgegeben,<br />

Bild 96: „Die Wahrheit können (auch) Sie nicht verfälschen, Herr Pflieger. Sie werden sich eines<br />

Tages verantworten müssen, wenn nicht auf Erden, dann im Himmel.‘“ 519<br />

also sind sie es gewesen, hieß es. Der ehemalige Generalbundesanwalt sagte sogar, daß sich<br />

<strong>der</strong> dringende Tatverdacht insbeson<strong>der</strong>e aus <strong>der</strong> Aussage eines unmittelbaren Tatzeugen<br />

ergebe, dessen Einzelheiten durch die weiteren Ermittlungen bestätigt worden seien.<br />

Mit keinem Wort hat Herr von Stahl damals erwähnt, daß es sich bei diesem sogenannten<br />

Zeugen um ein 9-jähriges Mädchen handelte, dessen Aussage erst kam, nachdem ich am<br />

Mittwoch, dem 25. November 1992, erstmalig vernommen wurde. Bei dieser Vernehmung<br />

erfuhren die Beamten auch gleich, daß ich in Pritzier dabeigewesen bin und zwar<br />

unaufgefor<strong>der</strong>t, ohne es vorher zu leugnen, wie es hier behauptet wurde. Man erfuhr auch von<br />

Gudow und Kollow, außerdem war mein Wagen <strong>der</strong> Polizei schon längst bekannt.<br />

Dann erst kam die Aussage des 9-jährigen Mädchens, die nachts auf Toilette gegangen sein<br />

will, einfach so aus dem Fenster geschaut und just in dem Moment die Tat von Anfang bis <strong>Ende</strong><br />

verfolgt haben will. Natürlich hat sie nicht ihre Schwester o<strong>der</strong> ihre Eltern geweckt. Nein, sie<br />

behält es für sich.<br />

Lange habe ich überlegt, ob es so einen Zufall geben kann, daß es an<strong>der</strong>e Leute gewesen sind,<br />

mit einem ähnlichen Wagen, o<strong>der</strong> sogar, daß mein Wagen für eine bestimmte Zeit unmerklich<br />

entwendet worden ist. Letztlich kam und komme ich zu dem Schluß, daß dieses nicht möglich<br />

ist, wenn man sich diese ominöse Zeugenaussage einmal verdeutlicht. Die hun<strong>der</strong>tprozentige<br />

Sicherheit erhielt ich durch das Auftreten dieses Mädchens vor Gericht, indem sie angab, daß<br />

auf einmal die Antenne (des von dem Mädchen beobachteten Autos) unten gewesen sein soll.<br />

Ein Detail, welches die Polizei erst sehr spät erfuhr und somit nicht mehr in den Akten korrigiert<br />

werden konnte. Meinen Verdacht, wie es zu dieser Aussage kam, werde ich hier besser nicht<br />

erläutern, weil ich keine Beweise dafür habe.<br />

Was wäre gewesen ohne diese Aussage? Man hätte uns nie sogenannte Geständnisse<br />

abpressen können. Nicht umsonst hat man sich ein 9-jähriges Mädchen ausgesucht. Einem<br />

Erwachsenen hätte man eine solche Aussage nicht mehr geglaubt. Es gibt Straftaten, bei denen<br />

kommt nie die Wahrheit heraus. In Mölln mußte man Täter präsentieren. Was liegt näher, als<br />

sich zwei Leute herauszusuchen, die vorher schon einmal mehr o<strong>der</strong> weniger durch<br />

auslän<strong>der</strong>feindliche Straftaten aufgefallen sind?<br />

Pritzier, Gudow, Kollow, Mölln, so einfach hat man es sich gemacht, aber die Rechnung geht<br />

nicht auf. Mindestens vier Leute wissen das. Zum einen ich und Michael P., zum an<strong>der</strong>en<br />

wenigstens ein Täter, <strong>der</strong> immer noch in Freiheit lebt und sich feige bedeckt hält. Zu guter letzt<br />

bestimmt auch Herr Pflieger, denn er war von Anfang an bei den Ermittlungen anwesend. Er<br />

muß die Vernehmungsteams angewiesen haben, das mit uns zu machen, was sie vor Gericht<br />

so vehement bestritten haben. Sich sogenannte Geständnisse auf verschiedene Art und Weise<br />

von uns zu erpressen, uns falsche Vorhaltungen zu machen, um uns tatrelevante Details in den<br />

Mund zu legen, von denen jetzt behauptet wird, sie wären damals aus freien Stücken heraus<br />

erzählt worden. Wir sitzen letztendlich am kürzeren Hebel, weil man vor Gericht natürlich<br />

Polizisten mehr glaubt, als Angeklagten, denen ein dreifacher Mord angehängt wird. Brutal hat<br />

man es ausgenutzt, daß ich damals so naiv war, keinen Anwalt zu verlangen.<br />

519 Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag, „BRANDANSCHLAG MÖLLN: Ein Kranker als Staatsfeind? - Heute vor<br />

15 Jahren starben in Mölln drei Türkinnen nach einem rechtsextremen Brandanschlag. Zwei Täter wurden gefaßt und<br />

verurteilt - einer davon war Lars Christiansen. Er ist bis heute, offenbar krankhaft, von seiner Unschuld überzeugt“,<br />

23.11.2007, Artikel v. Günter Kahl<br />

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