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Vom Ende der Zeiten

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2. Demokratische Täter-Opfer-Umkehr<br />

Bild 131: Die Beziehung Westerwelle zu Möllemann im Wandel von Zeit und Konstellation. 712<br />

„Ministerpräsident Scharon sagte am Montag in Jerusalem, es mache den Israelis ‚große Sorgen‘,<br />

wenn sie sähen, wie <strong>der</strong> Antisemitismus in Deutschland immer mehr ansteige und auch<br />

Vorbehalte gegen Vertreter <strong>der</strong> jüdischen Gemeinden geäußert würden. Er hoffe, daß ‚in Europa<br />

und in Deutschland bald wie<strong>der</strong> ein an<strong>der</strong>er Wind weht‘.“ 713<br />

Jürgen Möllemann schreibt: „Dr. Westerwelle verteidigte mein, sein und je<strong>der</strong>manns Recht, die<br />

Politik israelischer Regierungen kritisieren zu dürfen. Er erklärte die Angriffe gegen mich als<br />

‚unanständig‘. Der Vorwurf, ich bediente ‚braune Klischees‘, sei ehrverletzend und charakterlos‘.<br />

Nicht meine Äußerungen seien ein Tabubruch, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> gegen mich erhobene Vorwurf des<br />

Antisemitismus sei ein Tabubruch unter Demokraten. … Auch in meinem mo<strong>der</strong>aten Streit mit<br />

Paul Spiegel, dem Präsidenten des Zentralrats <strong>der</strong> Juden in Deutschland, und meinem<br />

polemischen Gefecht mit seinem Vizepräsidenten Michel Friedman unterstützte er mich. Und als<br />

Ephraim Kishon, <strong>der</strong> beliebte Schriftsteller, sich polemisch gegen Norbert Blüms scharfe Kritik<br />

an <strong>der</strong> Regierung Scharons wandte, trat Dr. Westerwelle ihm entgegen.<br />

Das än<strong>der</strong>te sich nach seiner Rückkehr von einem offiziellen Besuch in Israel. Nicht sofort, aber<br />

bald. Das Gesicht abwechselnd vor Entsetzen bleich und vor Aufregung gerötet, jammerte er<br />

mir unzählige Male und in selbstmitleidigem Tonfall vor: ‚Herr Möllemann, Sie machen sich ja<br />

keine Vorstellung, was die mir da abverlangt haben. Sie glauben ja gar nicht, was die mir<br />

zugemutet haben.‘ Zunächst begleitete er das noch mit einer trotzig-zornigen Ankündigung. ‚Die<br />

werden sich noch wun<strong>der</strong>n‘, erklärte er, ‚wie ich ihnen entgegentreten werde. Die kennen mich<br />

noch nicht!‘ Doch das klang in meinen Ohren zunehmend nur noch wie das berühmte Pfeifen im<br />

Walde, mit dem man bekanntlich lediglich seine eigene Angst übertönen will. Ein Mann ohne<br />

Namen hatte ihm beim langen Warten auf die Audienz bei Ariel Scharon in unmißverständlichen<br />

Worten gesagt, daß die israelische Regierung meinen politischen Kopf verlange.<br />

‚Wer war das?‘, fragte Dr. Westerwelle später dann einen seiner kundigen Begleiter. ‚Der<br />

Mossad!‘, erhielt er zur Antwort. Was hat <strong>der</strong> Mossad, <strong>der</strong> israelische Geheimdienst, gegen Dr.<br />

Westerwelle in <strong>der</strong> Hand, das ihn mit Entsetzen, Furcht und Schrecken erfüllt? Man muß nicht<br />

selbst Chef eines Geheimdienstes gewesen sein um zu wissen, wie gnadenlos diese Dienste<br />

auch das Wissen um die privatesten Dinge einsetzen, wenn es geboten erscheint. Jedes Mal,<br />

wenn er angsterfüllt, entrüstet und weinerlich davon sprach, fragte ich Dr. Westerwelle natürlich:<br />

‚Womit um Gottes Willen, drohen Ihnen die Leute denn?‘ Er hat bis heute nicht geantwortet. Die<br />

FDP aber hat ein Recht auf die Antwort ihres Bundesvorsitzenden. Finde ich.“<br />

[28, Seite 111, 112]<br />

„‚Die privatesten Dinge‘, das war eine etwas verschämte Anspielung auf Westerwelles sexuelle<br />

Orientierung. Dem FDP-Vorsitzenden ist klar, daß bestimmte Handlungsweisen hierzulande<br />

zwar von den Medien für ‚normal' gehalten werden, nicht aber von großen Teilen <strong>der</strong> Wählerschaft.<br />

Bislang dient Westerwelle nur Kabarettisten als Lieferant anzüglicher Pointen. Eine<br />

breite Enthüllungskampagne aber könnte ihn politisch in Bedrängnis bringen.‘ 714<br />

712 DIE WELT, „Möllemann-Debatte bringt FDP Mitglie<strong>der</strong>zuwachs - Parteichef Westerwelle distanziert sich im<br />

Antisemitismus-Streit von seinem Vize - Offener Machtkampf?“, 04.06.2002, S. 1<br />

713 Frankfurter Rundschau, „Westerwelle hört deutliche Worte - Israelische Politiker besorgt über Antisemitismus und<br />

die FDP“, 28.05.2002, S. 1<br />

714 NATION & EUROPA, 07./08.2003, S. 7<br />

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