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Vom Ende der Zeiten

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2. Demokratische Täter-Opfer-Umkehr<br />

und den Verlauf des Sonntags und <strong>der</strong> sich anschließenden Nacht, genauso wie hier in <strong>der</strong><br />

Hauptverhandlung, geschil<strong>der</strong>t. Während <strong>der</strong> nächsten Tage hat er sich, da die Tür seiner<br />

Wohnung erheblich beschädigt war, im Hause seiner Eltern in Alt-Mölln aufgehalten. Es kam<br />

dort, erstmals seit langer Zeit, zu ausführlichen und vertrauensvollen Gesprächen mit seinem<br />

Vater. … Lars hatte eine eigene Tatbeteiligung bestritten. Der Zeuge Ralf C. hatte den festen<br />

Eindruck, daß dann, wenn sein Sohn, … , etwas ‚auf dem Kerbholz‘ gehabt hätte, er sich nicht<br />

so vertrauensvoll und ruhig hätte mitteilen können. Auf Nachfrage <strong>der</strong> Staatsanwaltschaft hatte<br />

dieser Zeuge auch erklärt, daß es sich bei diesen Nachtgesprächen nicht um einseitige<br />

Monologe, son<strong>der</strong>n um eine freie Aussprache gehandelt habe. Lars hatte berichtet, was er von<br />

Gudow und Kollow wußte und erklärt, ‚wenn es um Mollis geht, klinke ich mich aus.‘ Der Zeuge<br />

Ralf C. ist ebenso wie die Mutter, die Zeugin Ursula C., davon überzeugt, daß die Darstellung<br />

ihres Sohnes richtig ist. Frau C. hat bekundet, Lars wäre zu Hause wie immer gewesen; es<br />

hätte keinerlei Anzeichen von Angst o<strong>der</strong> Aufregung gegeben. … [69, Seite 151-153]<br />

Verhaftung<br />

Am 28.11.1992, gegen 13.15 Uhr wird Lars C. in Schwarzenbek auf seiner Arbeitsstelle, dem …<br />

Einkaufsmarkt festgenommen. … Nach Anlegung <strong>der</strong> Handfesseln wurde ihm eine Maske, eine<br />

sog. Schlafbrille, aufgesetzt. Er gibt an, daß ihm erklärt wurde, er werde zur Vernehmung nach<br />

Hamburg gebracht. Tatsächlich haben die anschließenden Vernehmungen in Ratzeburg<br />

stattgefunden. Während <strong>der</strong> etwa 30-minütigen Fahrt mußte <strong>der</strong> Angeklagte die Maske tragen.<br />

Die Polizeibeamten hatten angegeben, daß <strong>der</strong>artige Masken verwendet werden, um die<br />

jeweiligen Beschuldigten zu schützen; sie sollen nicht erkannt werden. Außerdem soll verhin<strong>der</strong>t<br />

werden, daß die zivilen Einsatzfahrzeuge, Funkgeräte und sich möglicherweise in dem<br />

Fahrzeug befindlichen Akten gesehen werden. Die soweit vernommenen Zeugen J. und D.,<br />

beide Mitarbeiter des Marktes, haben erklärt, daß die Augenbinde schon deshalb keine<br />

Schutzfunktion habe entfalten können, da je<strong>der</strong> <strong>der</strong> Anwesenden, auch die Kunden, wußten,<br />

daß es sich um bei <strong>der</strong> festgenommenen Person um Lars C. handelte. Das zivile<br />

Einsatzfahrzeug hätten sie auch gesehen. Im übrigen habe <strong>der</strong> Festgenommene noch ca. 15<br />

Minuten im Auto warten müssen, bevor dieses abfuhr.<br />

Nach seinem Eintreffen im Polizeigewahrsam in Ratzeburg wurden Lars C. sofort sämtliche<br />

Kleidungsstücke, einschließlich <strong>der</strong> Unterwäsche, abgenommen und ihm stattdessen eine Art<br />

Anstaltskleidung zur Verfügung gestellt. Er mußte dann etwa zwei Stunden in einer schlecht<br />

beleuchteten, gefliesten Zelle warten, bis um 15.55 Uhr mit einer ersten, über 8 Stunden<br />

dauernden Vernehmung begonnen wurde. In <strong>der</strong> Vernehmung ging es ausschließlich um die<br />

Anschläge in Mölln. Als die Vernehmung des Angeklagten C. am 28.11. um 21.12 Uhr beendet<br />

wurde, kam es kurze Zeit später zu einer Zusatzvernehmung. Die Kriminalpolizei hatte<br />

zwischenzeitlich das Schreiben über Selbstmordmöglichkeiten und die Tetra-Packung mit <strong>der</strong><br />

Aufschrift ‚Faruk Arslan‘ gefunden. Die sich daraus ergebenden Vorhalte, die sich <strong>der</strong><br />

Angeklagte C. nicht zu erklären vermochte, führten zu einem regelrechten Ausflippen. C. sprang<br />

auf, riß die Arme nach oben, schlug mit den Händen auf die Schreibtischplatte und schrie laut,<br />

er sei nicht blöde, er wisse doch, wo er gewesen wäre. Diese aggressive Phase soll längere Zeit<br />

angehalten haben, in <strong>der</strong> er immer wie<strong>der</strong> rief: ‚Verdammte Scheiße, ich war es nicht.‘<br />

Aus einem Aktenvermerk vom 01.12.1992 über diese Vernehmung und aus den Bekundungen<br />

<strong>der</strong> Zeugen H. und B. wissen wir, daß Herr C. dann jeweils nach längeren Überlegungen<br />

unterschiedliche Tatversionen mitgeteilt hatte, die er dann sofort wi<strong>der</strong>rief. Es entstand in dieser<br />

Phase sogar <strong>der</strong> Eindruck, als ob C. durch Fragen Informationen erlangen wollte.<br />

Die Einzelheiten, unter denen C. zu dieser Zeit seine Täterschaft gestanden hatte, wurden ihm<br />

jedoch, da sie mit bisherigen Ermittlungsergebnis nicht übereinstimmten, nicht geglaubt.<br />

Beispielsweise hatte er angegeben, die Telefonanrufe seien unter dem Notruf 110 erfolgt.<br />

Aus dem in <strong>der</strong> Hauptverhandlung verlesenen Protokoll über die richterliche Vernehmung vom<br />

29.11.1992 wissen wir, daß C. angegeben hatte, regelrecht ausgerastet zu sein, wörtlich heißt<br />

es: ‚Ich konnte mir dann natürlich, außer dem angeblichen Partner P., keine Einzelheiten zu<br />

diesem Geständnis so schnell ausdenken. Im übrigen war mir auch unbekannt, daß die Täter<br />

zweimal bei <strong>der</strong> Polizei angerufen haben und auch unter einer an<strong>der</strong>en Nummer, während ich<br />

nur einen Anruf, und zwar unter dem Notruf 110, erwähnte.‘ Die Zeugen H. und B. haben diese<br />

Vernehmung dann, weil <strong>der</strong> Angeklagte infolge seiner Aufregung, Verwirrtheit und Aggression<br />

vernehmungsunfähig war, abgebrochen. Auffällig ist in diesem Zusammenhang die Feststellung,<br />

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