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Vom Ende der Zeiten

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2. Demokratische Täter-Opfer-Umkehr<br />

Bild 59: 1971 saniert Karl-Heinz Hoffmann Schloß Almoshof (li. im Bild) bei Nürnberg. Bildmitte:<br />

Die Nordfassade von Schloß Ermreuth vor <strong>der</strong> Sanierung, 1978. Dasselbe Schloß, im Jahr 2010.<br />

„Trotz aller Widrigkeiten und in ständiger versammlungsrechtlicher Auseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong><br />

Justiz <strong>der</strong> BRD hat sich die WSG im Jahr 1979 überregional etabliert. An einer Reihe von<br />

externen Standorten gibt es nun Stammabteilungen, und die Zahl <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> geht in die<br />

Hun<strong>der</strong>te. Mit ihren medienwirksamen Aktionen hat sich die WSG eine bundesweite Bekanntheit<br />

zugezogen und Hoffmann organisiert Arbeitseinsätze auf Schloß Ermreuth. Das Schloß ist in<br />

den vergangenen Jahrzehnten weitgehend verfallen, stand kurz vor dem Abriß. Jetzt werden mit<br />

großem Aufwand die tiefgehenden statischen Probleme behoben und die Männer <strong>der</strong> WSG<br />

decken das Dach. Mit <strong>der</strong> Sanierung setzt sich die WSG im wahrsten Sinn des Wortes ein<br />

Denkmal. Der Verfassungsschutz schafft es trotz großer Anstrengungen nicht, Hoffmann die<br />

Kontrolle über das Anwesen zu entziehen.<br />

Hoffmann macht Ermreuth zu einem Zentrum des Lebens <strong>der</strong> WSG, organisiert dort<br />

Pressetermine und Fernsehdreharbeiten. Noch Jahrzehnte später zeugt <strong>der</strong> Haß einzelner<br />

abtrünniger WSGler auf die damaligen Sanierungsanstrengungen von <strong>der</strong> Echtheit des Gefühls,<br />

das mit <strong>der</strong> Rettung des mittelalterlichen Schlosses verbunden ist.<br />

Die Männer tragen bei den Veranstaltungen auf Ermreuth poppige T-Shirts mit <strong>der</strong> Silhouette<br />

des ‚Chefs‘ und kommen, nicht zuletzt aufgrund des Arbeitseinsatzes in Ermreuth, bei <strong>der</strong><br />

Bevölkerung in Franken gut an. Organisatorisch hat die WSG in diesem Sommer 1979 einen<br />

Stand erreicht, <strong>der</strong> vom ‚Küchenzug‘ in Neuburg an <strong>der</strong> Donau über Stammabteilungen in<br />

an<strong>der</strong>en Städten und spezialisierten Trupps bis zum Wachdienst in Hoffmanns Heroldsberger<br />

Villa reicht. Der ‚Chef‘ ist, wie es im Internetzeitalter heißen wird, ‚Kult‘, zumindest bei den<br />

‚Rechten‘, öfter auch bei politisch ungebundenen Männern und bei einzelnen Linken.<br />

Die Organisation gibt sich unpolitisch, aber Hoffmann tritt zunehmend bei zivilen<br />

Veranstaltungen als politischer Redner auf. Kaum jemand ahnt, daß die WSG ihren<br />

Nebenzweck als Propagandainstrument erfüllt hat und kurz vor <strong>der</strong> Selbstauflösung steht. Das<br />

zwiespältige, wenn auch wirksame Spiel mit den Medien soll nach dem <strong>Ende</strong> <strong>der</strong> Organisation<br />

auf einer politischen Ebene fortgeführt werden, mit einem Saalschutz, <strong>der</strong> sich aus den Männern<br />

<strong>der</strong> WSG rekrutiert. Zumindest stellt sich Hoffmann das in diesem Sommer 1979 so vor. Wer<br />

unter Hoffmanns Gegnern o<strong>der</strong> Anhängern hätte sich in einer solchen Situation ausgemalt, daß<br />

die Zeit <strong>der</strong> WSG ihrem <strong>Ende</strong> zugeht, außer Hoffmann selbst, <strong>der</strong> seine politischen Pläne<br />

konkretisiert, und jene Kräfte, die drauf und dran sind, <strong>der</strong> Selbstauflösung <strong>der</strong> WSG mit einem<br />

Verbot zuvorzukommen?<br />

Das Jahr 1979 ist das letzte Jahr des Bestehens <strong>der</strong> WSG. Als sich Hoffmann im Herbst mit<br />

dem unter falschem Namen auftretenden Agenten Werner Mauss trifft, ist ihm nicht klar, welche<br />

Fallen man ihm zu stellen im Begriff ist. Bei aller Vorsicht, bei allem Mißtrauen wird nicht<br />

erkennbar und auch nicht vorstellbar, was <strong>der</strong> Mann mit dem grotesken Haarschopf und dem<br />

fehlenden Fingerglied von ihm will.“ 324<br />

DER SPIEGEL täuscht geschickt: „Die Opfer des Münchner Bombenanschlags waren noch<br />

nicht zu Grabe getragen, als Wahlkämpfer Franz Josef Strauß bereits zu wissen vorgab, wo die<br />

Schuld zu suchen sei: in Bonn und Ost-Berlin. Legte <strong>der</strong> Kandidat falsche Fährten, um davon<br />

abzulenken, daß er selber den westdeutschen ‚Rechts‘extremismus seit Jahren<br />

bagatellisiert?“ 325<br />

324 Arbeitskreis NSU, „Oktoberfestblogkomplett - Traum und Untergang <strong>der</strong> Wehrsportgruppe Hoffmann IV: Das<br />

Schloß“, S. 181-183<br />

325 DER SPIEGEL 41/1980, „Mit Dumdum aus <strong>der</strong> Schußlinie“, 06.10.1980, S. 30<br />

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