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Vom Ende der Zeiten

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5. VÖLKERWELT. Schönheit des Lebens<br />

NAMENSGEBUNG. Man wählte gern Namen, die<br />

schon in <strong>der</strong> Familie vertreten gewesen waren. Es<br />

sollten dadurch gleichsam die Vorfahren zu neuem<br />

Leben entstehen. Mit <strong>der</strong> Namensgebung flößte <strong>der</strong><br />

Vater dem Kind sozusagen das Wesen ein, von<br />

diesem Zeitpunkt an war es ein Mitglied <strong>der</strong> Familie,<br />

wenn <strong>der</strong> Vater es in feierlicher Weise durch<br />

Aufheben vom Boden und Besprengen mit Wasser<br />

anerkannt und ihm einen Namen gegeben hatte.<br />

Was an Kraft, Mut, Begeisterung, Wehrhaftigkeit und<br />

Glück in dem Namen steckte, das sollte in das neue<br />

Wesen eingehen. Der Name ging also von den<br />

Ahnen auf die Nachfahren über. Darum lebte ein<br />

Mensch auch nach dem Tod im Nachruhm seines<br />

Namens weiter bis in die ferne Zukunft. Daher wählte<br />

man solche Namen, in <strong>der</strong>en Wortsinn sich <strong>der</strong> Zug<br />

zum Hohen und zum Wagnis offenbarte. Da die Germanen verhältnismäßig spät in den Lauf <strong>der</strong><br />

Weltgeschichte eingriffen, lag für sie nicht mehr viel Boden bereit. Sie mußten sich in schwerem<br />

Ringen ihren Platz erkämpfen; und es war nur natürlich, daß dieser Kampfeswille in <strong>der</strong><br />

Namensgebung seinen Nie<strong>der</strong>schlag fand. So begegnen uns im germanischen Namensgut<br />

Bestandteile wie gunt, hilt, wic = Kampf (Gunther, Brünhild, Ludwig); bert, mar = glänzend,<br />

berühmt (Adalbert, Waldemar); diet, Theod = Volk (Dietmar, Theo<strong>der</strong>ich); helm, ger, ort =<br />

Schwertspitze (Helmbrecht, Gernot, Ortwin); munt = Schutz (Siegmund); rich = mächtig<br />

(Heinrich); sigu = Sieg (Siegfried); fried, fred = Friede (Friedrich, Alfred); ans, os = Ase,<br />

germanische Gottheit (Ansgar, Oskar); ar = Aar (Arnold); ber, bern = Bär (Bernhard); wolf, wulf<br />

= Wolf (Wolfgang, Wulfila, Rudolph). Wie <strong>der</strong> Name selbst, war auch die Feier <strong>der</strong><br />

Namengebung erfüllt von sinnbildlichem und religiösem Gehalt und erlangte dadurch eine<br />

vertiefte Bedeutung für das spätere Leben. [58, Seite 78]<br />

Die kriegerische Gesinnung <strong>der</strong> Germanen entsprach <strong>der</strong> allgemeinen Unsicherheit.<br />

Feindseligkeiten <strong>der</strong> Stämme untereinan<strong>der</strong>, die Abwehr äußerer Feinde und die Gefahren <strong>der</strong><br />

Wan<strong>der</strong>züge zwangen zu steter Wachsamkeit und Kampfbereitschaft. Es gab keine eigentliche<br />

Trennung zwischen dem Stand <strong>der</strong> Bauern und Krieger. Je<strong>der</strong> Mann mußte mit <strong>der</strong> Waffe<br />

umgehen können und sie bis ins hohe Alter mit sich führen. [58, Seite 97]<br />

HEER. Das germanische Heer war ein Volksheer, das allgemeine Volksaufgebot aller Waffenfähigen<br />

und Waffenberechtigten. Nur dadurch, daß je<strong>der</strong> sich freiwillig für den Kriegsdienst breit<br />

hielt, war es überhaupt möglich, daß die Germanen die schweren <strong>Zeiten</strong> einer fortgesetzten<br />

Kriegsführung mit dem römischen Imperium durchhalten konnten. [58, Seite 99]<br />

Den Höhepunkt, den das antike Schrifttum in seinen Berichten über die germanischen<br />

Völkerschaften erreichte, bildeten die Werke des Cornelius Tacitus (um 55 bis gegen 120 n.<br />

Chr.), <strong>der</strong> mit seinen Annalen und Historien, sowie insbeson<strong>der</strong>e mit seiner erd- und<br />

völkerkundlichen Abhandlung ‚Germania‘ Kenntnis von den einzelnen Stämmen und ihrer Kultur<br />

vermittelt.. Er sieht in diesem Volk noch ein Stück unverdorbener Natur, in dem Tugenden, aber<br />

auch Laster, mit ursprünglicher Selbstverständlichkeit emporwachsen. Auch erkennt er die<br />

große Gefahr, die dem römischen Imperium droht, und es scheint nur ein Mittel wirksam, das<br />

nahende Verhängnis aufzuhalten, nämlich die Uneinigkeit unter den germanischen Stämmen,<br />

das alte Erbübel dieses Volkes, in je<strong>der</strong> Weise zu för<strong>der</strong>n. 1875 [58, Seite 59, 60]<br />

Das bedeutendste Denkmal, das die sturmvollen <strong>Zeiten</strong> des großen Angriffs <strong>der</strong> Nordstämme<br />

auf das römische Imperium in ihrer ganzen Schwere erahnen läßt, ist wohl das Reliefband <strong>der</strong><br />

Marc-Aurel-Säule in Rom. Wir erleben bei ihrer Betrachtung schau<strong>der</strong>nd die ganze<br />

Furchtbarkeit <strong>der</strong> Kämpfe zwischen den beiden großen Völkern. Germanische Dörfer werden in<br />

Brand gesteckt, das Herdenvieh wird weggetrieben, Frauen führt man in Gefangenschaft und<br />

gefangene Häuptlinge werden in Massenhinrichtungen dem Tod überliefert. Ein grauenvolles<br />

Vorhersehen des herannahenden Untergangs von Rom spricht aus diesen Bil<strong>der</strong>n.<br />

[58, Seite 61]<br />

1875 Tacitus, „Germania“, XXXIII; „Dem Geschick unseres Reiches, wenn es uns hart zusetzt, kann gewiß das Glück<br />

nichts besseres gewähren, als <strong>der</strong> Feinde Zwietracht.“<br />

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