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Mehrsprachigkeit in Europa: Plurilinguismo in Europa ... - EURAC

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Svetlana Merkel, Heike Roll<br />

Im H<strong>in</strong>blick auf die Lexik und auf die Syntax lassen sich Übernahmen und Entlehnungen aus<br />

der L1 <strong>in</strong> die Zielsprache feststellen: Zum Beispiel die Verwendungen von sog. „false friends“<br />

oder aber die Übernahme syntaktischer Konstruktionen aus der L1 <strong>in</strong> die L2. Hierzu e<strong>in</strong> Beispiel<br />

aus den vorliegenden Daten. Dies zeigt sich beispielsweise <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er frühen Erwerbsphase an der<br />

fehlenden Verbendstellung im Nebensatz, die im Russischen nicht vorhanden ist.<br />

(B5) Aber alles ist nicht so perfekt, weil Mark sieht se<strong>in</strong>en Freund Alex aus andere Schule,<br />

der ruft ihn.<br />

Beim Erst- und auch beim Zweitspracherwerb kommt vorgefertigten E<strong>in</strong>heiten e<strong>in</strong> hoher<br />

Stellenwert zu. So verläuft der Erwerb grammatischer E<strong>in</strong>heiten zumeist über die schrittweise<br />

Zerlegung zunächst undurchschauter ganzheitlicher Äußerungen (für den L-1 Erwerb s.<br />

Elsen 1999). Lexikalische Verb<strong>in</strong>dungen werden im Rahmen der Sprichwortforschung oder<br />

der Phraseologie untersucht (z.B. Burger et al. 1982, Gülich/ Kraft 1998). In der Pragmatik<br />

wird deren Verwendung im Diskurszusammenhang der sprachlichen Verfestigung von<br />

Wissensstrukturen betrachtet (Ehlich/ Rehbe<strong>in</strong> 1977). Gerade <strong>in</strong> <strong>in</strong>terkulturellen Prozessen<br />

s<strong>in</strong>d Wissensstrukturtypen wie E<strong>in</strong>schätzung, Bild oder Sentenz wichtige Analysekategorien.<br />

Hier verfestigt sich e<strong>in</strong> kollektiv verankertes Wissen als soziale Tiefenstruktur, das durch e<strong>in</strong>e<br />

detaillierte diskursanalytische Herangehensweise rekonstruiert werden kann (Redder 1995). Zu<br />

fragen ist, wie Lerner solche vorgefertigten E<strong>in</strong>heiten <strong>in</strong> die L2 übertragen. Denn gerade bei der<br />

Übertragung vorgefertigter E<strong>in</strong>heiten können Missverständnisse entstehen, drücken diese doch<br />

<strong>in</strong> besonderer Weise die kulturelle Spezifi k e<strong>in</strong>er Sprache aus.<br />

Daraus ergibt sich folgende Fragestellung, die im Rahmen e<strong>in</strong>es Forschungsprojektes am<br />

Sprachenzentrum der Universität Münster (2005-2006) untersucht wird. Welche Rolle spielen<br />

latente, d.h. nicht offen zu Tage tretende kommunikative Ressourcen aus dem Russischen beim<br />

Erwerb der deutschen Sprache und wie wirken diese auf deutschsprachige Rezipienten? Im<br />

Folgenden werden die Datenerhebung und das Korpus skizziert sowie exemplarische Textanalysen<br />

vorgenommen.<br />

3. Datenerhebung und Korpus<br />

Schüler und Schüler<strong>in</strong>nen der Jahrgangsstufe 9 (verteilt auf e<strong>in</strong>e Hauptschule, zwei<br />

Realschulen und e<strong>in</strong> Gymnasium) sowie e<strong>in</strong>es Sonderkollegs für Aussiedler haben schriftliche<br />

Texte zu e<strong>in</strong>er Bildvorlage verfasst. Das Basiskorpus bilden <strong>in</strong>sgesamt 336 schriftliche Texte<br />

auf deutsch sowie 192 Kurz-<strong>in</strong>terviews. 98 deutsche Texte wurden von Schülern mit Russisch<br />

als L1 verfasst, von 77 dieser Texte liegt auch e<strong>in</strong>e russische Version vor, 17 Texte waren <strong>in</strong><br />

late<strong>in</strong>ischer Schrift geschrieben. Der E<strong>in</strong>reisezeitraum der ausgesiedelten Schüler lässt sich <strong>in</strong><br />

zwei Phasen unterteilen: 74 Schüler reisten zwischen 1996 und 2004 e<strong>in</strong>, 19 Schüler zwischen<br />

1991 und 1995. In Barnaul/Sibirien wurde e<strong>in</strong> monol<strong>in</strong>guales Vergleichskorpus erhoben:<br />

175 Texte und 146 Kurz<strong>in</strong>terviews mit russischsprachigen Jugendlichen. Durch kontrastive<br />

Analysen dieser Korpora sollen mittels e<strong>in</strong>er datenbankgestützen Korpusanalyse grammatischsyntaktische<br />

Wechselbeziehungen zwischen L1 und L2 ermittelt werden. Exemplarische<br />

diskursanalytische Rekonstruktionen ermöglichen e<strong>in</strong>en Zugang zu sprachlich-mentalen<br />

Prozessen beim Zweitspracherwerb. Außerdem werden <strong>in</strong> den sich an die Textproduktion<br />

anschließenden Kurz-Interviews mit den Jugendlichen deren kommunikative Absichten beim<br />

Verfassen rekonstruiert.<br />

152<br />

Multil<strong>in</strong>gualism.<strong>in</strong>db 152 4-12-2006 12:26:38

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