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Mehrsprachigkeit in Europa: Plurilinguismo in Europa ... - EURAC

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Franz Lanthaler<br />

1.1 Harte Fakten<br />

Wir stellen uns also zunächst die Frage: „Unter welchen Bed<strong>in</strong>gungen wird <strong>in</strong> Südtirol Sprache<br />

erworben und gebraucht?“<br />

Da ist e<strong>in</strong>mal das Erbe, das die Geschichte den drei Sprachgruppen hier h<strong>in</strong>terlassen hat.<br />

Das R<strong>in</strong>gen um e<strong>in</strong>e Lösung der Probleme, die die beiden Kriege und die faschistischen Regimes<br />

beider Seiten im letzten Jahrhundert hier h<strong>in</strong>terlassen haben, hat schließlich zu e<strong>in</strong>er politischen<br />

Regelung geführt, die heute die Gleichstellung der beiden Sprachen Deutsch und Italienisch und<br />

die Anerkennung des Lad<strong>in</strong>ischen garantiert.<br />

1.1.1 Diglossie<br />

Was den Spracherwerb und den Sprachgebrauch bei allen Sprachgruppen <strong>in</strong> diesem Land jedoch<br />

am nachhaltigsten zu bestimmen sche<strong>in</strong>t, ist die große strukturelle Distanz zwischen Dialekt<br />

und Standard bei der deutschsprachigen Bevölkerung, mit e<strong>in</strong>er entsprechenden funktionalen<br />

Diglossie, die, wie wir noch sehen werden, von vielen als problematisch empfunden wird, deren<br />

Überw<strong>in</strong>dung aber von den Deutsch Sprechenden nur als Dialektverlust gesehen werden könnte.<br />

Die Tatsache, dass es <strong>in</strong> dieser Sprachgruppe ke<strong>in</strong>e Untergruppe gibt, bei der das Hochdeutsche<br />

e<strong>in</strong> solches Prestige genießt, dass es auch <strong>in</strong> der alltäglichen privaten Konversation verwendet<br />

würde, gewährleistet die Stabilität dieser Diglossie, auch wenn sich zwischen den beiden<br />

Systempolen e<strong>in</strong>zelne Diskrete herauszubilden beg<strong>in</strong>nen, zum Teil schon herausgebildet haben.<br />

Trotzdem gibt es ke<strong>in</strong>e Motivation für DialektsprecherInnen sich im <strong>in</strong>formellen Kontakt des<br />

Hochdeutschen zu bedienen − außer mit Personen, die den Dialekt nicht beherrschen. Wir<br />

werden noch darauf zurückkommen, was das bedeutet.<br />

Zur Stabilität der diglossischen Situation trägt auch die Kle<strong>in</strong>räumigkeit der deutschen<br />

Dialekte bei. Zwar können städtische Ko<strong>in</strong>és <strong>in</strong> den größeren Zentren entstehen, die sich von den<br />

tieferen Taldialekten <strong>in</strong> Richtung Standard bewegen, vor allem im syntaktischen Bereich und auf<br />

pragmatischer Ebene, sie s<strong>in</strong>d aber noch immer stark von den Basisdialekten der betreffenden<br />

kle<strong>in</strong>en Region geprägt. Vor allem deshalb gibt es <strong>in</strong> Südtirol ke<strong>in</strong>e deutsche Umgangssprache.<br />

Die erwähnten Unterschiede zeigen sich nicht nur bei der Gegenüberstellung von Ost−West<br />

im Tirolischen Sprachatlas (siehe Meraner/Oberhofer 1982), sondern auch <strong>in</strong>nerhalb dieser<br />

größeren Regionen schälen sich kle<strong>in</strong>e und kle<strong>in</strong>ste Gebiete mit zahlreichen Isoglossen heraus,<br />

die e<strong>in</strong>zelne Täler und Seitentäler abtrennen, ja sogar <strong>in</strong>nerhalb derselben verlaufen (Lanthaler/<br />

Meraner 1994). Diese Vielfalt br<strong>in</strong>gt für die Dialekt sprechende deutschsprachige Bevölkerung<br />

ke<strong>in</strong>erlei kommunikative Probleme mit sich, auch nicht für die <strong>in</strong> der „Diaspora“ lebende<br />

italienischsprachige Bevölkerung, wohl aber für die städtische Bevölkerung nicht deutscher<br />

Muttersprache. Dies geht unter anderem aus der Übersicht über die Repertoires der e<strong>in</strong>zelnen<br />

Sprachgruppen und ihrer Untergruppen bei Mioni klar hervor (Mioni 1990: 22 f.).<br />

A 1<br />

M 1<br />

B 1<br />

372<br />

Repertorio l<strong>in</strong>guistico dei germanofoni sudtirolesi<br />

Hochdeutsch<br />

(tedesco standard)<br />

A2 Italiano standard<br />

Umgangssprache?<br />

(tedesco dell’uso corrente)<br />

Dialetto tirolese<br />

(una delle varietà locali)<br />

M2 Italiano regionale<br />

Multil<strong>in</strong>gualism.<strong>in</strong>db 372 4-12-2006 12:28:55

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