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Mehrsprachigkeit in Europa: Plurilinguismo in Europa ... - EURAC

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Migrationssprache Russisch<br />

2 und 3 (von <strong>in</strong>sgesamt 4 Stufen). Fast alle e<strong>in</strong>fachen Äußerungen werden mit fi nitem Verb<br />

verankert (Stufe 1), die Separierung von F<strong>in</strong>itum und <strong>in</strong>fi nitem Vollverb ist erworben (2), drei<br />

Äußerungen weisen e<strong>in</strong>e komplexe Inversion von Subjekt und F<strong>in</strong>itum auf (3). Es fehlt die vierte<br />

Stufe, also Nebensätze mit Verbendstellung.<br />

Die syntaktische Struktur ist e<strong>in</strong>fach, auffällig ist die l<strong>in</strong>eare Textstruktur mittels „und“<br />

: Sätze werden nur angegliedert, ohne dass der Handlungsstrang thematisch verkettet und<br />

fortgeführt wird. Denn das koord<strong>in</strong>ierende „und“ erfordert noch ke<strong>in</strong>e Inversion und damit<br />

ke<strong>in</strong>e komplexere mentale Operation. Das Genus ist unsicher, <strong>in</strong>sbesondere der präpositionale<br />

Dativ ist fehlerhaft.<br />

Narrative Kompetenz<br />

Die Schreiber<strong>in</strong> fokussiert zunächst das Bild und kategorisiert die dargestellte Situation als<br />

Schlegerei. In Segment 2 nimmt sie e<strong>in</strong>e zeitliche Situierung des von ihr vorgestellten Geschehens<br />

vor: nach der Schule. In S (3) erfolgt dann e<strong>in</strong> zeitlicher Rückverweis, der durch die Phrase<br />

„<strong>in</strong> der Schule am Pause“ markiert ist. Für den Leser wirkt der Rückverweis sprunghaft, hier<br />

fehlt e<strong>in</strong>e Erzählprozedur, die die Vorgeschichte der Schlägerei e<strong>in</strong>leitet. In S(3) – S(11) wird<br />

die Komplikation bis h<strong>in</strong> zur Eskalation des Konfl ikts dramaturgisch gekonnt entwickelt<br />

Die Schreiber<strong>in</strong> stellt szenisch e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>teraktive Mikrokonstellation her: zwei Gruppen stehen<br />

nebene<strong>in</strong>ander und provozieren sich verbal. Diese Provokation wird prägnant <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e schnelle<br />

Wechselrede gefasst: Warum lacht ihr? – Das geht dir nicht an. In S(10) markiert und dann den<br />

Wendepunkt zur Eskalation des Streits h<strong>in</strong> zur tätlichen Ause<strong>in</strong>andersetzung. Diese Eskalation<br />

wird <strong>in</strong> der festen Verb<strong>in</strong>dung „Wort für Wort“ modelliert – „Und dann Wort für Wort und<br />

schlegerei hat sich angefangen“. Die Wirkung missl<strong>in</strong>gt jedoch, da hier e<strong>in</strong>e Übertragung aus<br />

dem Russischen vorliegt, die im Deutschen missverständlich ist.<br />

„Slovo za slovom“ bedeutet im Russischen „e<strong>in</strong> Wort gibt das andere“. E<strong>in</strong>e implizite<br />

Bewertung fi ndet sich <strong>in</strong> S(18) und machen nix das zu ende br<strong>in</strong>gen. Die umstehenden Mädchen<br />

tragen nicht zur Lösung des Konfl iktes bei sondern stehen und lachen.<br />

Diese diskursive Planung mit „und“ verweist auf den schildernden Charakter des Textes, der<br />

durch die direkte Rede e<strong>in</strong>en erzählend-szenischen E<strong>in</strong>schluss erhält. Die Schreiber<strong>in</strong> ist also<br />

selbst nicht <strong>in</strong> das Geschehen verstrickt. Diese distanziert wirkende Schreibhaltung zeigt sich<br />

auch daran, dass ke<strong>in</strong>e Modalisierungen vorkommen.<br />

Tanja realisiert alle Positionen der Handlungsstruktur, wenn auch <strong>in</strong> reduzierter Form:<br />

Rahmensetzung, Provokation, Eskalation, Bewertung. Sie verfügt über e<strong>in</strong>e Text- und<br />

Erzählkompetenz, was die e<strong>in</strong>gangs erwähnten Befunde von Knapp (1999), dass gerade diese<br />

bei Seitene<strong>in</strong>steigern besser ausgebaut s<strong>in</strong>d, bestätigt. Der russische Text ist weitgehend<br />

parallel konstruiert, sie nutzt also das implizite Sprachwissen aus L1. Ausgehend von ihrem<br />

Sprachstand wäre hier der nächste Schritt der Erwerb syntaktischer und lexikalischer<br />

Komplexität. E<strong>in</strong> Überarbeitungsschritt könnte dar<strong>in</strong> bestehen, der Schüler<strong>in</strong> erzählerische<br />

Mittel zur Verfügung zu stellen wie „da“, „plötzlich“, „auf e<strong>in</strong>mal“, mit denen sie die l<strong>in</strong>eare<br />

„und“- Struktur erweitern kann. Damit kann ihre Formulierungskompetenz – aufbauend auf<br />

ihrem Sprachstand – schrittweise gestärkt werden. Auch die Eskalation sollte mit passenden<br />

sprachlichen Mitteln nochmals formuliert werden. Im H<strong>in</strong>blick auf die Korrektur zeigt sich, dass<br />

Multil<strong>in</strong>gualism.<strong>in</strong>db 155 4-12-2006 12:26:41<br />

155

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