Mehrsprachigkeit in Europa: Plurilinguismo in Europa ... - EURAC

Mehrsprachigkeit im Recht:
Hindernis oder Chance für Europa?
Sieglinde Pommer, Universität Wien, spommer@post.harvard.edu
Abstract
Dieser Beitrag untersucht die Auswirkungen des Sprachenpluralismus bei der Harmonisierung der
Rechtstraditionen im Zuge der fortschreitenden Europäischen Integration und analysiert die speziellen
Anforderungen, die ein mehrsprachiges europäisches Recht an den Übersetzer von Rechtstexten stellt. Die
Autorin erörtert die besondere Dimension der Multilingualität im Rechtsbereich, regt ein neues Verständnis
des für die europäische Identität prägenden Faktors der Mehrsprachigkeit an und zeigt die Bedeutung einer
funktionierenden mehrsprachigen interkulturellen Fachkommunikation im Recht für eine neue europäische
Rechtskultur auf.
1. Einleitung: Sprachenpluralismus und Europäische Integration
Die kulturelle Diversität Europas manifestiert sich in der sprachlichen Vielfalt. Trotz gewünschter
Harmonisierung der europäischen Rechtstraditionen soll auch im Zuge einer fortschreitenden
Integration Europas die Mehrsprachigkeit im Recht zur Wahrung von Bürgernähe, Transparenz,
nationaler Identität und rechtlichem Gehör erhalten bleiben. So wird jedem Bürger aus
Gründen der Demokratie ein Recht auf Information in seiner Muttersprache gewährt, um sich
in seiner Landessprache an EU-Behörden wenden zu können und direkten Zugang zu allen
Rechtsvorschriften zu haben (vgl. Manz 2002).
Die Europäische Union ist „das beeindruckendste Beispiel für internationale Multilingualität“
(Kelz 2002: 159-160) und der für die Mehrsprachigkeit betriebene Aufwand ist auch aus
fi nanzieller und administrativer Sicht gewaltig (Christensen/Müller in Müller/Burr 2004: 14).
Die sprachliche Heterogenität Europas wird sich aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen in
absehbarer Zeit kaum reduzieren (Müller/Burr 2004: 72-73). Nach eigenen Erfahrungen mit den
praktischen Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Mehrsprachigkeit während ihres Praktikums
am Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften analysiert die Autorin Hürden und Potential
der Mehrsprachigkeit im Europäischen Rechtsraum (Pommer 2006-2). Die Notwendigkeit der
Entwicklung einer europäischen Rechtssprache, die nicht auf rein nationalen Rechtskonzepten
basieren kann, stellt Jurisprudenz, Übersetzungswissenschaft und Linguistik vor eine Vielzahl
neuer Probleme, die nur in interdisziplinärer Zusammenarbeit gelöst werden können (vgl.
Pommer 2006-4).
1.1. Grenzen der Mehrsprachigkeit?
Die Osterweiterung führte zu einem exponentiellem Wachstum der Sprachkombinationen,
wodurch die Übersetzungskosten trotz verstärkten Einsatzes der Relay-Praktik von 550 Millionen
Euro auf 808 Millionen Euro jährlich stiegen (Creech 2005: 27). Aus sprachpolitischer Sicht warf
dies die alte Frage wieder auf, ob der Mehrsprachigkeit auf europäischer Ebene notwendige
Grenzen gesetzt werden müssen, wie beispielsweise durch eine (auch offi zielle) interne
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