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Mehrsprachigkeit in Europa: Plurilinguismo in Europa ... - EURAC

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Staat – Nation - Sprache<br />

im Unterricht nicht nur Kenntnisse der jeweiligen Landessprache, sondern auch der Sprache<br />

ihres Herkunftslandes zu vermitteln s<strong>in</strong>d, nur auf Migrantenk<strong>in</strong>der aus den EU-Staaten! Diese<br />

Forderung wird so begründet, dass dadurch den ev. im Ausland geborenen K<strong>in</strong>dern die Rückkehr<br />

<strong>in</strong> das Herkunftsland der Eltern erleichtert werden soll! (Schre<strong>in</strong>er 2006: 127).<br />

Die Idee der Vielsprachigkeit wird außerdem de facto <strong>in</strong>sofern relativiert, als <strong>in</strong> stillschweigendem<br />

E<strong>in</strong>verständnis (d.h. ohne dass je e<strong>in</strong> entsprechender Beschluss gefasst worden<br />

wäre) Englisch und Französisch als Arbeitssprachen dom<strong>in</strong>ieren. (Schre<strong>in</strong>er 2006: 142 ff.)<br />

Praktische Erfordernisse sprachlicher Effektivität schaffen e<strong>in</strong>e Realität, die die Idee der<br />

Vielsprachigkeit zum<strong>in</strong>dest nicht fördert. 17 Sie setzen aber auch dem National sprachenpr<strong>in</strong>zip<br />

im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Gleichberechtigung aller Amtssprachen Grenzen, die stillschweigend akzeptiert<br />

werden (müssen).<br />

Die EU-Politik leistet ke<strong>in</strong>en bewussten Beitrag zur Überw<strong>in</strong>dung der Ideologie des<br />

Nationalstaates und der entsprechenden Fixiertheit auf Nationalsprachen – im Gegenteil,<br />

sie akzeptiert und respektiert sie. Aber die von der EU gesetzten Maß nahmen, nämlich die<br />

Reduktion der Bedeutung der Staatsgrenzen (man spricht schon von „B<strong>in</strong>nengrenzen“) und die<br />

Förderung der <strong>Mehrsprachigkeit</strong> (die so genannte Sprach verbreitungspolitik der EU), bieten<br />

jedem e<strong>in</strong>zelnen Bürger der EU die Möglichkeit, sich von der Idee der National sprachlichkeit<br />

und der E<strong>in</strong>sprachigkeit als konstitutivem Identitätsmerkmal zu befreien. Vollziehen muss<br />

diesen Schritt aber die Sprachgeme<strong>in</strong>schaft selbst.<br />

Der <strong>Europa</strong>rat 18 hat ke<strong>in</strong>e Macht, aber er kann Wirkung haben. Er kann Konzepte entwickeln<br />

und Vorschläge unterbreiten, aber er kann nicht ihre Realisierung durchsetzen. Se<strong>in</strong>e Wirkung<br />

geht so weit, wie die Staaten und Bürger <strong>Europa</strong>s bereit s<strong>in</strong>d, se<strong>in</strong>e Vorschläge und Konzepte<br />

zu verwirklichen.<br />

5. Schlusswort<br />

E<strong>in</strong>e unbefangene, allgeme<strong>in</strong> verbreitete, also nicht auf elitäre Individuen beschränkte<br />

<strong>Mehrsprachigkeit</strong> können wir nur erreichen, wenn wir bereit s<strong>in</strong>d, die heute ohnedies<br />

anachronistische (aber offenbar bei vielen Menschen noch tief im Herzen sitzende) hohe<br />

Wertschätzung der Merkmale für nationale Zugehörigkeit aufzugeben.<br />

<strong>Mehrsprachigkeit</strong> entsteht im Herzen und wird realisiert durch persönliche<br />

Anstrengung.<br />

„<strong>Mehrsprachigkeit</strong> entsteht im Herzen“ heißt: Man muss emotional bereit se<strong>in</strong>, jene<br />

Vorstellung von nationaler Identität, die die Identifi zierung mit e<strong>in</strong>er Sprache impliziert und<br />

allem was „anders“ ist, ablehnend, abwertend, ja fe<strong>in</strong>dselig gegenüber steht, zu überw<strong>in</strong>den.<br />

Diesbezüglich bestehen nicht so sehr zwischen Staaten als vielmehr zwischen den Bürgern<br />

<strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es jeden Staates größte Unterschiede. Wir fi nden <strong>in</strong> jedem europäischen Staat<br />

Bürger bzw. mehr oder weniger große Gruppen von Bürgern, die emotional noch der primitivsten<br />

Form des Nationalismus – sie ist gekennzeichnet nicht nur durch Stolz auf das Eigene, sondern<br />

durch Chauv<strong>in</strong>ismus, Verachtung und Hass gegenüber dem Anderen – verpfl ichtet s<strong>in</strong>d. Wie<br />

17 Bliesener (2002) nennt e<strong>in</strong>ige erstaunliche Beispiele dafür, dass die europäischen Institutionen – auch der <strong>Europa</strong>rat<br />

– die ausschließliche Verwendung des Englischen <strong>in</strong> der Kommunikation mit den Mitgliedstaaten geradezu erzw<strong>in</strong>gen.<br />

18 Die meisten Initiativen zur europäischen Sprachpolitik gehen von ihm aus. Der Geme<strong>in</strong>same Europäische Referenzrahmen<br />

für Sprachen (Straßburg 2000) sowie die Charta der Regional- und M<strong>in</strong>derheitensprachen (1992) wurden von ihm<br />

erarbeitet und herausgegeben.<br />

Multil<strong>in</strong>gualism.<strong>in</strong>db 59 4-12-2006 12:25:16<br />

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