29.01.2013 Aufrufe

Mehrsprachigkeit in Europa: Plurilinguismo in Europa ... - EURAC

Mehrsprachigkeit in Europa: Plurilinguismo in Europa ... - EURAC

Mehrsprachigkeit in Europa: Plurilinguismo in Europa ... - EURAC

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Leonhard Voltmer<br />

gegen e<strong>in</strong>e andere Sprache leitet. Diese <strong>in</strong>dividuelle Ebene soll nun im zweiten Teil erörtert<br />

werden.<br />

II. Ursachen des Sprachenlernens: bottom-up<br />

1. Individuell wirksame Ursachen für das Erlernen e<strong>in</strong>er Sprache<br />

Mit der Mutter komplexer kommunizieren können: Das ist wohl der Ur-Grund, e<strong>in</strong>e oder mehrere<br />

Sprachen zu lernen. Und wie ist das später im Leben? Was Menschen zum Sprachenlernen br<strong>in</strong>gt<br />

und von welchen Faktoren die Entscheidung bee<strong>in</strong>fl usst wird, ist e<strong>in</strong>e äußerst schwierig zu<br />

operationalisierende Forschungsfrage. 8 Für jede Gesellschaft, jedes Individuum, jedes Alter<br />

und jede Schicht könnte e<strong>in</strong>e andere, komplexe Gemengelage den Ausschlag geben. Außerdem<br />

wird man bei direkter Befragung Begründungen hören, nicht unbed<strong>in</strong>gt aber die wirklichen<br />

Gründe.<br />

Beispielsweise ist <strong>in</strong> diesem Band e<strong>in</strong>e Umfrage zum Thema „Warum welche Sprachen lernen?“ 9<br />

Allerd<strong>in</strong>gs wird die Wahrhaftigkeit der Antworten nicht überprüft. E<strong>in</strong> Indiz dafür, dass die<br />

Antworten geschönt s<strong>in</strong>d, ist die Unterschiedlichkeit der Begründungen für das Sprachenlernen:<br />

Beim eigenen Sprachenlernen werden schöngeistige Begründungen wie Selbstverwirklichung<br />

und Verstehen fremder Kulturen angegeben, während Eltern die Auswahl der von ihren K<strong>in</strong>dern<br />

zu lernenden Sprache ganz nach dem ökonomischen Nutzen ausrichten. 10 Hier sei die Frage<br />

erlaubt, ob diese K<strong>in</strong>der dann wirklich aus wirtschaftlichen Gründen handeln, oder (aus ihrer<br />

Sicht) aus Selbstverwirklichungsgründen, oder ob nicht ganz andere, weniger rationale und oft<br />

viel banalere Gründe („me<strong>in</strong>e Freund<strong>in</strong> wählt auch Late<strong>in</strong>“, „der Englischlehrer ist nicht gut“)<br />

den Ausschlag geben.<br />

Die Auswertung e<strong>in</strong>er mehrjährigen Fragebogenuntersuchung an 45 Goethe-Instituten<br />

weltweit zeigte, dass das Deutschlernen vor allem als Erwerb e<strong>in</strong>er im Beruf oder im Studium<br />

praktisch e<strong>in</strong>setzbaren Fähigkeit verstanden wird. 11 Als Motive für den Besuch e<strong>in</strong>es Deutschkurses<br />

gaben fast 90 % den <strong>in</strong>dividuellen Nutzen an, und bei den 12,7%, die „deutsche Literatur,<br />

Philosophie und Kunst“ als Motiv angaben, könnte man auch noch weiter eruieren, <strong>in</strong>wieweit<br />

nicht auch hier e<strong>in</strong> persönlicher Nutzen steht. E<strong>in</strong> Philosoph, der Deutsch lernt, holt sich se<strong>in</strong><br />

Handwerkszeug wie e<strong>in</strong> Archäologe, der Hieroglyphen lesen lernt.<br />

Möglicherweise ist die Antwort äußerst komplex, mit e<strong>in</strong>em verworrenen Motivationsgefüge,<br />

das von Individuum zu Individuum und von Moment zu Moment variiert. Wahrsche<strong>in</strong>lich vermutet<br />

man auch nicht ganz falsch, dass der E<strong>in</strong>zelne nicht „für die Biodiversität“ Sprachen lernt,<br />

sondern aus sehr handfesten, konkreten berufl ichen oder privaten Gründen: die Sprache ist<br />

e<strong>in</strong> Schulfach, e<strong>in</strong>e Arbeitsstelle erfordert Sprachkenntnisse, oder die Umgebung übt e<strong>in</strong>en<br />

regelmäßigen E<strong>in</strong>fl uss aus. Vielleicht überwiegen die ökonomischen Überlegungen auch derart<br />

stark, dass die idealistischen Gründe völlig vernachlässigt werden können?<br />

8 „Als Variable e<strong>in</strong>es sprachvergleichenden soziol<strong>in</strong>guistischen Profi ls lässt sich die numerische Stärke nicht isolieren und<br />

deshalb auch nicht leicht <strong>in</strong> ihrer Bedeutung erwägen. Zum<strong>in</strong>dest die folgenden Faktoren können als Parameter e<strong>in</strong>es<br />

solchen Profi ls mit ihr <strong>in</strong>teragieren: die geopolitische Lage, der soziopolitische Status, die literarische und kulturelle<br />

Tradition und die Angepasstheit der Sprache an im weitesten S<strong>in</strong>ne ökonomisch relevante Kommunikationsbedürfnisse.“<br />

Coulmas (1993: 13).<br />

9 Werlen / Rosenberger / Baumgartner (2006).<br />

10 Werlen / Rosenberger / Baumgartner (2006).<br />

11 Glück (2000) unter Verweis auf Dräxler, Dieter (1998): Das Erlernen der deutschen Sprache: Gründe, Ziele und<br />

Interessen. Ergebnisse von Umfragen unter fortgeschrittenen Kursteilnehmern an Goethe- Instituten im In- und<br />

Ausland. München.<br />

484<br />

Multil<strong>in</strong>gualism.<strong>in</strong>db 484 4-12-2006 12:30:02

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!