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Mehrsprachigkeit in Europa: Plurilinguismo in Europa ... - EURAC

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Siegl<strong>in</strong>de Pommer<br />

die dieser Sprachen nicht mächtig s<strong>in</strong>d, ihre sich daraus ergebenden Rechte geltend zu machen<br />

und erhöht somit die Rechtsunsicherheit (Creech 2005: 28, 31 und 36).<br />

Bei <strong>in</strong>haltlich abweichenden Sprachfassungen dient der Blick <strong>in</strong> andere Sprachen also<br />

der Erleichterung e<strong>in</strong>er an sich s<strong>in</strong>nvollen Interpretation (Kathre<strong>in</strong> <strong>in</strong> Reichelt: 76-77). Bei<br />

„ger<strong>in</strong>gstem Zweifel“ an der Korrektheit e<strong>in</strong>er Sprachversion verpfl ichtet der EuGH den<br />

Rechtsanwender, diese mit allen weiteren zu vergleichen (EuGH Rs. 238/81 (CILFIT), Slg.<br />

1982, hier: S. 3415). Dies bedeutet, dass für nationale Instanzrichter zwar grundsätzlich die<br />

Richtigkeitsvermutung h<strong>in</strong>sichtlich der jeweiligen Sprachfassung gilt, bei Zweifeln der Fall aber<br />

dem EuGH zur Klärung vorgelegt werden muss (Ross 2003: 56-57). Vor dem EuGH darf jede<br />

Sprachversion als Argumentationsl<strong>in</strong>ie vorgebracht werden, und zwar auch dann, wenn ke<strong>in</strong>e<br />

Verfahrenspartei dieser Sprache tatsächlich mächtig ist. Aus diesem Grund kann e<strong>in</strong> Kläger<br />

aus e<strong>in</strong>em Mitgliedsstaat sich nicht mehr ausschließlich auf die eigene Sprachversion des<br />

Geme<strong>in</strong>schaftsrechtstextes verlassen, sondern muss (zum<strong>in</strong>dest theoretisch) auch jede e<strong>in</strong>zelne<br />

andere Sprachversion konsultieren, um den wahren Bedeutungsgehalt zu ermitteln. Der EuGH<br />

betont die Implikationen der Authentizität aller Sprachversionen, welche die Sprachfassungen<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e besondere Beziehung der Interdependenz stellt. Die authentische Textbedeutung wird<br />

erst <strong>in</strong> Gesamtschau aller gebildet (Creech 2005: 29).<br />

Aus juristischen wie l<strong>in</strong>guistischen Gründen bevorzugt der Gerichtshof auf den Gebrauch<br />

bestimmter nationaler Begriffe zu verzichten und bevorzugt oft Wörter aus dem allgeme<strong>in</strong>eren<br />

Sprachgebrauch, „die sich nicht nur leichter und sicherer übersetzen lassen, sondern auch auf<br />

e<strong>in</strong>er breiteren Basis auf dasselbe Verständnis stoßen“. Die Rechtssprechung des EuGHs soll<br />

ja über den E<strong>in</strong>zelfall h<strong>in</strong>aus Anwendung fi nden. Der Gerichtshof fungiert häufi g als „Brücke<br />

für die juristische Term<strong>in</strong>ologie der nationalen Rechtsordnungen“ <strong>in</strong> das europäische Recht<br />

und diese fi ndet manchmal sogar über das Geme<strong>in</strong>schaftsrecht E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> das Recht anderer<br />

Mitgliedsstaaten (Creech 2005: 34).<br />

4. Folgen für die Rechtsübersetzung<br />

Die direkte Geltungswirkung der supranationalen Rechtsvorschriften macht zur Wahrung des<br />

Transparenzgebots die Übersetzung der Rechtstexte notwendig, da nur so der direkte Zugang<br />

gewahrt werden kann. Die Europäischen Union hat mehr Amtssprachen als jede andere<br />

<strong>in</strong>ternationale Organisation, auch wendet ke<strong>in</strong>e andere E<strong>in</strong>richtung ähnlich hohe Kosten für<br />

Übersetzungs- und Dolmetschdienste auf (Tosi 2003: 119).<br />

Am Gerichtshof der Europäischen Geme<strong>in</strong>schaften, wo juristische Texte mit besonders<br />

fachspezifi schem Charakter übersetzt werden, versucht man mit der Beschäftigung von so<br />

genannten Juristen-Übersetzern mit vollständiger juristischer Ausbildung den Anforderungen<br />

an den hohen translatorischen Schwierigkeitsgrad gerecht zu werden.<br />

Die Hauptprobleme beim Übersetzen von Rechtstexten ergeben sich <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie aus<br />

der unterschiedlichen E<strong>in</strong>bettung <strong>in</strong> die nationalen Rechtsordnungen. Da e<strong>in</strong>e vollständige<br />

Abstraktion nicht möglich ist, müssen das fremde Recht mit dem eigenen Rechtsverständnis<br />

verglichen, kritisch refl ektiert und die Unterschiede im <strong>in</strong>terl<strong>in</strong>gualen Rechtskulturtransfer<br />

explikativ kommuniziert werden. In diesem Zusammenhang besteht die große Gefahr falsche<br />

Annahmen über fremde Rechts<strong>in</strong>stitute anzustellen (vgl. Pommer 2006-4).<br />

518<br />

Multil<strong>in</strong>gualism.<strong>in</strong>db 518 4-12-2006 12:30:25

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