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Mehrsprachigkeit in Europa: Plurilinguismo in Europa ... - EURAC

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Staat – Nation - Sprache<br />

gehören zu den Fundamenten der gesellschaftspolitischen Ordnung <strong>Europa</strong>s im 19. und 20.<br />

Jahr hundert.<br />

E<strong>in</strong>schlägige Analysen des europäischen Nationalismus unterscheiden zwischen Staatsnation<br />

und Kulturnation. „Die Französische Revolution hat die Vorstellung e<strong>in</strong>er demokratischen<br />

Staats(bürger)nation geschaffen... In Deutschland bildete anders als <strong>in</strong> England oder Frankreich<br />

lange Zeit nicht die Staatsnation, sondern die den staatlichen Partikularismus überwölbende<br />

(vor politische) Kulturnation das Bezugsobjekt des entstehenden Nationalbewusstse<strong>in</strong>s.“<br />

(Stukenbrock 2005: 50ff.). 4 Die Sprache hat <strong>in</strong> diesen beiden unterschiedlichen Nationskonzepten<br />

e<strong>in</strong>en unterschiedlichen Symbolwert, d.h. sie repräsentiert symbolhaft jeweils etwas anderes:<br />

Die Dom<strong>in</strong>anz der Staatssprache als Symbol der nationalen E<strong>in</strong>heit wird zum wesentlichen<br />

Element des französischen Ausschließlich keitsanspruchs hochstilisiert. Die nationale E<strong>in</strong>heit wird<br />

dabei als die sprachliche Gleichheit aller Bürger des Nationalstaates Frankreich aufgefasst. Die<br />

deutsche Sprache h<strong>in</strong>gegen wird als Band gesehen, das das deutsche Volk e<strong>in</strong>igt und gegenüber<br />

anderen Völkern abgrenzt; (Ülkü 2002: 432f.) das ist letztlich e<strong>in</strong>e ethnische Symbolkraft.<br />

Neuere Defi nitionen von Nation weisen ausdrücklich darauf h<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong>e Nation nicht<br />

etwas ontologisch Gegebenes ist, sondern das Ergebnis e<strong>in</strong>er Willenserklärung, die auch vor der<br />

Konstruktion geme<strong>in</strong>samer Merkmale nicht zurückschreckt, die <strong>in</strong> Wirklichkeit gar nicht gegeben<br />

s<strong>in</strong>d! 5 „Tatsächliche oder vermutete [angenommene/behauptete] kulturelle und ethnische<br />

Geme<strong>in</strong>samkeiten dienen dazu, diese Gruppen trotz ihrer [Verschieden artigkeit und] Verteilung<br />

auf verschiedene politische Territorien argumentativ zusammenzub<strong>in</strong>den“ (Gardt 2004: 372)<br />

und sie zu kollektivem Wollen und Handeln zu bewegen. 6 Der Nationalismus ist somit e<strong>in</strong>e von<br />

vielen Ideologien, die durch die Hervorhebung geme<strong>in</strong>samer Merkmale größere Gruppen zu e<strong>in</strong>er<br />

politischen E<strong>in</strong>heit formieren. Homogenität wird <strong>in</strong> der Ära der Nationalstaaten wiederum, wie<br />

schon so oft, zum zentralen geme<strong>in</strong>schafts bildenden Pr<strong>in</strong>zip, das die Loyalität aller Staatsbürger,<br />

die „unh<strong>in</strong>terfragte Solidarität mit den ‚eigenen Leuten’ <strong>in</strong> Krisenzeiten“ (Stukenbrock 2005:<br />

38) gewährleistet, aber auch die Möglichkeit bietet, die Staatsbürger zu beherrschen, zu<br />

mobilisieren und manipulieren, und somit die Staatsmacht sichert. Diesmal handelt es sich um<br />

kulturelle und ethnische Homogenität, für die sich die Massen offenbar leicht begeistern lassen.<br />

E<strong>in</strong>es der wichtigsten Symbole für diese Homogenität ist – wie bereits erwähnt – die Sprache,<br />

als e<strong>in</strong>heitliche National- und e<strong>in</strong>zige Staatssprache. Im Verlaufe der Hoch stilisierung dieser<br />

Nationalmerkmale wird diese Sprache dann auch noch als Muttersprache bezeichnet. 7 Aber die<br />

4 Von Polenz (1998: 55) unterscheidet zwischen „vorwiegend territorialem und staatsbürgerlichem westeuropäischen und<br />

vorwiegend kulturellem oder ethnischem deutschen und osteuropäischen Nationsbegriff.“ „Der von der Französischen<br />

Revolution herkommende demokratische ‚Staatsnation’-Begriff hat sich <strong>in</strong> Deutschland nicht durchsetzen können … In<br />

Deutschland wurden seit dem 17. Jahrhundert ... andere … Nation-Begriffe immer wichtiger, die mit sehr abstrakten,<br />

der heterogenen politischen Realität widersprechenden Merkmalen wie Kultur, Sitte und Brauch, Sprache, Abstammung<br />

(und schließlich Rasse) besetzt wurden.“ (ebda 60 f.)<br />

5 Nation ist nicht etwas tatsächlich Gegebenes, im Laufe der Kulturgeschichte Entstandenes, sondern sie ist e<strong>in</strong><br />

„soziales Konstrukt, e<strong>in</strong>e Projektionsfl äche gesellschaftlicher Interessen und Bedürfnisse“. (Gardt 2004: 371) Sie<br />

konstituiert e<strong>in</strong>en „Rahmen, ... <strong>in</strong>nerhalb dessen sich Menschen neben kultureller Eigenständigkeit v.a. politische<br />

Selbständigkeit (Souveränität) unter Verweis auf e<strong>in</strong>e als geme<strong>in</strong>sam angenommenen Geschichte, Tradition, Kultur,<br />

Sprache zumessen.“ (Brockhaus 1991) Von Polenz (1998: 64) bezeichnet die für e<strong>in</strong>e Nation konstitutiven Merkmale<br />

wie Abstammungs-, Sprach- und Kulturgeme<strong>in</strong>schaft als „abstrakte Wunschbegriffe.“<br />

6 Das Konzept der Nation sollte als soziale Kohäsionskraft fungieren, die heterogene Interessen überspannt, „die alten<br />

territorialen und konfessionellen Spaltungen sowie die zwischen Industrie und Landwirtschaft, Adel und Bürgertum,<br />

Kapital und Arbeit neu entstandenen sozialen Gräben überw<strong>in</strong>det“. (Stukenbrock 2005: 321)<br />

7 „Ideologien stellen neue Orientierungsmuster bereit. Der Sprachnationalismus entwirft e<strong>in</strong>e dieser Orientierungskarten.<br />

Se<strong>in</strong> zentraler Orientierungspunkt ist die Muttersprache, die als Defi niens e<strong>in</strong>er neuen Geme<strong>in</strong>schaftsvorstellung, der<br />

Nation, fungiert und zu deren Symbol erhoben wird.“ (Stukenbrock 2005: 37)<br />

Multil<strong>in</strong>gualism.<strong>in</strong>db 51 4-12-2006 12:25:11<br />

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