29.01.2013 Aufrufe

Mehrsprachigkeit in Europa: Plurilinguismo in Europa ... - EURAC

Mehrsprachigkeit in Europa: Plurilinguismo in Europa ... - EURAC

Mehrsprachigkeit in Europa: Plurilinguismo in Europa ... - EURAC

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Über die Schwierigkeit, die Sprache des Nachbarn zu lernen<br />

3. Interaktionen zwischen den Sprachgruppen <strong>in</strong> Südtirol<br />

Diese Paradoxien, die im Beziehungsgefl echt zwischen den Sprachgruppen nachweisbar s<strong>in</strong>d<br />

und von denen ich nachfolgend e<strong>in</strong> zentrales Beispiel geben werde, lähmen die Bereitschaft<br />

zu echter Kontaktaufnahme, verfestigen Teufelskreise, führen zu sich selbst verewigenden<br />

Kommunikationsstrukturen, die nach vorgegebenen Mustern ablaufen, und verh<strong>in</strong>dern nachhaltig<br />

die Aufnahme von Kooperation.<br />

Dieser Prozess bewirkt e<strong>in</strong>e Abkehr von den wirklichen Gegebenheiten und Notwendigkeiten<br />

der Situation und führt zu „operationalen Schließungen“ (vgl. Luhmann 1984), d. h. dazu, dass<br />

man sich <strong>in</strong> der Festung der eigenen Gruppe, des eigenen Vere<strong>in</strong>es, der eigenen Institution,<br />

der eigenen Sprachgruppe absichert und sich durch selektive Wahrnehmung immer wieder die<br />

eigenen Grundannahmen, Wertbilder und Leitunterscheidungen bestätigt. Damit schottet man<br />

sich auch gegen störende Trends und Argumentationen ab.<br />

Nur Kooperation könnte diesen Teufelskreis sprengen. Kooperation setzt aber Vertrauen<br />

voraus, verstanden hier als die wesentlichste Kategorie <strong>in</strong> menschlichen Beziehungen. Vertrauen<br />

entsteht zwischen verschiedenen Sprachgruppen e<strong>in</strong>erseits durch „Trauerarbeit“, durch<br />

Aufarbeitung und Bearbeitung bedeutender geschichtlicher Ereignisse, die von den verschiedenen<br />

Sprachgruppen konträr <strong>in</strong>terpretiert werden, und andererseits durch probehandelnde Praxis im<br />

Alltag mit den konkreten Vertretern der anderen Sprachgruppe.<br />

Jede Sprachgruppe bee<strong>in</strong>fl usst nämlich die andere durch den Charakter der Botschaft<br />

ihres eigenen Verhaltens, und damit auch durch die Art und Weise, wie sie die anderen <strong>in</strong> der<br />

Beziehung zu sich annimmt, zurückweist oder abwertet.<br />

Bevor beispielhaft dargestellt wird, wie e<strong>in</strong> zentraler Mechanismus der Doppelb<strong>in</strong>dung (des<br />

„double b<strong>in</strong>d“), der der „Entwertung“, <strong>in</strong> der Realität des Zusammenlebens der Sprachgruppen<br />

<strong>in</strong> Südtirol wirkt und zum Tragen kommt, muss auch dieser Begriff e<strong>in</strong>er Klärung zugeführt<br />

werden.<br />

„Die Entwertung ist e<strong>in</strong>e Art Antwort auf die Defi nition, die der andere von sich <strong>in</strong> der<br />

Beziehung zu geben versucht. Sie ist weder e<strong>in</strong>e Bestätigung noch e<strong>in</strong>e Abweisung. Sie ist e<strong>in</strong>e<br />

dunkle, <strong>in</strong> sich widersprüchliche Antwort, die im wesentlichen folgende Botschaft enthält: ‚Ich<br />

nehme von dir ke<strong>in</strong>e Notiz, du bist für mich nicht da, du existiert nicht’ ”. (Selv<strong>in</strong>i Palazzoli<br />

1988: 31f.)<br />

Und gerade hier liegt die „wundeste” Stelle bei beiden Sprachgruppen, deren bewusste<br />

Bearbeitung und „Vernarbung” Bed<strong>in</strong>gung der Möglichkeit des Zusammenlebens ist.<br />

Dieses Kenntnisnehmen vom anderen, dieses Mitdenken der Probleme der anderen, wenn<br />

geme<strong>in</strong>sames Denken noch schwierig ist, ist zwar ansatzweise im Alltag der Personen ohne<br />

politische Verantwortung vorhanden (vgl. dazu Baur et al. 1998: 287 ff.), wird aber durch<br />

den Mechanismus der „Manipulation” 6 , der von politischen Führungsschichten nicht selten<br />

e<strong>in</strong>gesetzt wird, häufi g zunichte gemacht.<br />

Es könnte so se<strong>in</strong>, wie Watzlawick mit Bezug auf familiäre Situationen sagt: „Vertrauen<br />

würde mich verletzbar machen, daher muss ich auf me<strong>in</strong>e Sicherheit bedacht se<strong>in</strong>; und die<br />

dar<strong>in</strong> enthaltene Voraussage ist: Der andere würde mich sonst ausnützen.” (Watzlawick et al.<br />

6 Der Begriff Manipulation wird hier verwendet als Auslegen von Beziehungs- und Kooperationsfallen, als Verteilen<br />

falscher Quittungen, Handlungen die nicht unbed<strong>in</strong>gt oder nur teilweise bewusst se<strong>in</strong> müssen und oft auch nur<br />

halbbewusst oder unbewusst gesetzt bzw. ausgeteilt werden.<br />

Multil<strong>in</strong>gualism.<strong>in</strong>db 339 4-12-2006 12:28:36<br />

339

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!