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Mehrsprachigkeit in Europa: Plurilinguismo in Europa ... - EURAC

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Konrad Ehlich<br />

Apparat her die Möglichkeit, unterschiedliche Tonhöhen <strong>in</strong> unsere Sprachproduktionen<br />

h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen. Diese Intonation im weiteren S<strong>in</strong>n des Wortes, diese Intonation, die wir <strong>in</strong><br />

unseren europäischen Sprachen im wesentlichen zum Beispiel für die illokutive Markierung von<br />

Satze<strong>in</strong>heiten nutzen, wird <strong>in</strong> anderen Sprachtypen systematisch ganz anders e<strong>in</strong>gesetzt, <strong>in</strong> den<br />

so genannten Tonsprachen. In diesen Sprachen wird Intonation verwendet, um Dist<strong>in</strong>ktionen<br />

zwischen e<strong>in</strong>zelnen Ausdrücken herzustellen. Die „Umschaltung im Kopf“ von e<strong>in</strong>em Verfahren,<br />

<strong>in</strong> dem typologisch wie <strong>in</strong> unseren europäischen Sprachen Intonation e<strong>in</strong>gesetzt wird, um zum<br />

Beispiel im wesentlichen Satzstrukturen auszudrücken und zu erkennen, zu e<strong>in</strong>em solchen<br />

Tonsystem; die Aufwendungen, die man erbr<strong>in</strong>gen muss, um sich auf e<strong>in</strong> solches tonales System<br />

wie etwa im Ch<strong>in</strong>esischen oder Vietnamesischen e<strong>in</strong>zulassen, sche<strong>in</strong>en erheblich zu se<strong>in</strong>. Dies<br />

kann man leicht im Eigenexperiment an sich erfahren, <strong>in</strong>dem man e<strong>in</strong>e solche Sprache zu<br />

erlernen sucht. Man kann an sich beobachten, welche Mühe es macht, den Kopf sozusagen neu<br />

zu „organisieren“. Darüber, was beim Erwerb e<strong>in</strong>es solchen ganz anderen Systems im Gehirn<br />

passieren muss, wissen wir, soweit mir bekannt ist, bisher nahezu gar nichts.<br />

Hier, denke ich, ist es unabd<strong>in</strong>gbar, exkursartig etwas zu betonen, was wiederum nicht<br />

gern gehört wird, nämlich, dass zum Sprachenlernen auch Mühe, zum Teil erhebliche Mühe,<br />

emotionale und kognitive und eben gehirnliche Mühe, gehört. Den Kopf muss man e<strong>in</strong> Stück<br />

weit auch zur Akzeptanz neuer Strukturen zw<strong>in</strong>gen. Zugleich muss man dem Kopf dann auch<br />

die Möglichkeit geben, das Neugelernte anwenden zu können. Man muss im Sprachlehr-Lern-<br />

Prozess e<strong>in</strong>e Applikation des neu Erworbenen systematisch ermöglichen.<br />

Insgesamt zeigt sich also, wenn wir die Sprachen der Welt betrachten, e<strong>in</strong> breites Spektrum<br />

von relativ dichter Sprachstrukturnähe e<strong>in</strong>erseits bis h<strong>in</strong> zu großen typologischen Divergenzen<br />

andererseits. In e<strong>in</strong>er Weltgesellschaft werden wir mehr und mehr dazu genötigt se<strong>in</strong>, dies<br />

e<strong>in</strong>fach <strong>in</strong> unsere Betrachtung mit aufzunehmen.<br />

7. Europäische Glottographie<br />

Wenden wir uns nun aber der engeren europäischen Situation h<strong>in</strong>sichtlich der Sprachen etwas<br />

genauer zu. Hier haben wir doch im wesentlichen e<strong>in</strong>e Situation der Nähe. Es fi nden sich unter<br />

den ca. siebzig Sprachen <strong>Europa</strong>s solche mit über e<strong>in</strong>hundert Millionen Sprechern bis h<strong>in</strong> zu<br />

Sprachen von gegenwärtig noch 200 oder 300 Sprechern. Betrachtet man diese Vielfalt, so<br />

zeigt sich, bezogen auf die typologischen Sprachfamilien, e<strong>in</strong>e sehr e<strong>in</strong>deutige und homogene<br />

Struktur: 94 % der Sprachfamilien <strong>Europa</strong>s gehören der <strong>in</strong>doeuropäischen Sprachgruppe an. Die<br />

altaischen Sprachen, die uralischen Sprachen, die e<strong>in</strong>zige semitische Flächensprache <strong>in</strong> <strong>Europa</strong>,<br />

das Maltesische, und das Baskische fallen demgegenüber kaum <strong>in</strong>s Gewicht, ja s<strong>in</strong>d verschw<strong>in</strong>dend<br />

<strong>in</strong> ihren Sprecherzahlenwerten. Innerhalb dieser <strong>in</strong>doeuropäischen Sprachfamilie wiederum<br />

zeigen sich gleichfalls klare zahlenmäßige Differenzierungen. Die größte Gruppe bilden die<br />

slawischen Sprachen, dann folgen, fast gleichgroß, die romanischen und die germanischen<br />

Sprachen; die weiteren Elemente der <strong>in</strong>doeuropäischen Sprachgruppe s<strong>in</strong>d demgegenüber<br />

ihrerseits gleichfalls schon fast wieder verschw<strong>in</strong>dend (vgl. Haarmann 1993, Ehlich 2002).<br />

Das bedeutet, <strong>Europa</strong> hat typologisch gesehen e<strong>in</strong>e große Homogenität <strong>in</strong> Bezug auf die<br />

sprachlichen Strukturen. Die europäische Glottographie zeigt uns erhebliche Potentiale, auf<br />

die <strong>in</strong> Projekten wie „EuroCom“ (http://www.eurocom.uni-frankfurt.de/) auch ansatzweise<br />

22<br />

Multil<strong>in</strong>gualism.<strong>in</strong>db 22 4-12-2006 12:24:55

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