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Mehrsprachigkeit in Europa: Plurilinguismo in Europa ... - EURAC

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Rita Francesch<strong>in</strong>i<br />

verstanden als kommunikative Fähigkeiten, s<strong>in</strong>d dazu geeignet, mit den neuen Anforderungen<br />

sprachlich und kulturell komplexer Gesellschaften umzugehen.<br />

E<strong>in</strong>e zentrale Rolle spielt die kulturell unterschiedliche Ausgestaltung von <strong>Mehrsprachigkeit</strong>,<br />

die sich – vornehmlich regional – <strong>in</strong> historisch gewachsenen Konfi gurationen manifestiert.<br />

Jegliche Intervention und Lenkung zur Förderung der <strong>Mehrsprachigkeit</strong> – bspw. im schulischen<br />

Bereich, <strong>in</strong> der Rechtssprechung – hat deshalb mit e<strong>in</strong>er hohen Kultursensitivität zu rechnen.<br />

3. Defi nition<br />

Aufgrund der obigen Überlegungen wird e<strong>in</strong>e dynamisch gedachte und kulturell verankerte Defi nition<br />

von <strong>Mehrsprachigkeit</strong> vorgeschlagen, die folgendermaßen lauten könnte:<br />

Unter <strong>Mehrsprachigkeit</strong> wird verstanden die Fähigkeit von Gesellschaften, Institutionen,<br />

Gruppen und Individuen, <strong>in</strong> Raum und Zeit e<strong>in</strong>en regelmäßigen Umgang mit mehr als e<strong>in</strong>er<br />

Sprache im Alltag zu haben. Sprache wird dabei neutral verstanden als Varietät, die <strong>in</strong><br />

Selbstzuschreibung von e<strong>in</strong>er Gruppe als habitueller Kommunikationscode benutzt wird (somit<br />

s<strong>in</strong>d Regionalsprachen und Dialekte e<strong>in</strong>geschlossen, wie Gebärdensprachen (sign languages)).<br />

Man kann e<strong>in</strong>e gesellschaftliche, <strong>in</strong>stitutionelle, diskursive und <strong>in</strong>dividuelle <strong>Mehrsprachigkeit</strong><br />

unterscheiden. <strong>Mehrsprachigkeit</strong> beruht auf der grundlegenden menschlichen Fähigkeit, <strong>in</strong><br />

mehreren Sprachen kommunizieren zu können und <strong>in</strong> angemessener Weise von e<strong>in</strong>er Sprache<br />

<strong>in</strong> die andere zu wechseln.<br />

<strong>Mehrsprachigkeit</strong> bezeichnet e<strong>in</strong> <strong>in</strong> kulturelle Entwicklungen e<strong>in</strong>gebettetes Phänomen und<br />

ist somit durch hohe Kultursensitivität geprägt.<br />

Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund s<strong>in</strong>d gerade Sprachgrenzregionen – wie auch immer man sie nun<br />

defi nieren mag – der Entwicklung eigentlich e<strong>in</strong>en Schritt voraus, da sie, ausgehend von e<strong>in</strong>er<br />

zweisprachigen Situation, über mehr Kompetenzen verfügen, mit <strong>Mehrsprachigkeit</strong> umzugehen.<br />

Die Individuen <strong>in</strong> Sprachgrenzregionen verfügen durch das Ausgesetzt-Se<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er solchen<br />

Situation gegenüber, über reichere praktische und realistische authentische Erfahrungen. In<br />

Sprachgrenzregionen ist man sich <strong>in</strong>sbesondere bewusst, dass:<br />

• Sprache und Macht e<strong>in</strong>e oftmals unheilvolle Rolle spielen können: als Teil der persönlichen<br />

Identität ist Sprache mit der eigenen Erfahrung und Biographie verbunden. Sprache und<br />

Macht gehen e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>, die auch für andere, nicht-sprachliche Zwecke benutzt<br />

wird (gar missbraucht).<br />

• Personen <strong>in</strong> Sprachgrenzregionen erleben tagtäglich, was es heißt – um mit Gumperz Worten<br />

zu sprechen borders on the ground zu haben und auf ganz anderer Ebene, mit borders <strong>in</strong> the<br />

m<strong>in</strong>d zu leben. Das Ause<strong>in</strong>aderklaffen der Diskurse schärft jedoch den Verstand und br<strong>in</strong>gt<br />

mehr Differenzierungen, wenn man sie denn zu nutzen weiß. Es liegt, für die Entwicklung<br />

von Kreativität, sicherlich e<strong>in</strong> guter Humus da.<br />

• Und vor allem: In Sprachgrenzregionen ist man sich besonders bewusst, dass Sprache nicht<br />

alle<strong>in</strong> e<strong>in</strong> neutrales Instrument der Wissensvermittlung ist, sondern e<strong>in</strong>e tiefe historische<br />

Verankerung hat.<br />

Lassen sie mich diesen letzten Punkt, der wie mir sche<strong>in</strong>t noch zu wenig Beachtung gefunden<br />

hat, kurz beleuchten. Er hängt damit zusammen, dass wir eigentlich sehr wenig über die<br />

Geschichte der Kommunikationskulturen wissen (ich benutze e<strong>in</strong>en Begriff, den Iwar Werlen<br />

geprägt hat).<br />

38<br />

Multil<strong>in</strong>gualism.<strong>in</strong>db 38 4-12-2006 12:25:04

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