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Mehrsprachigkeit in Europa: Plurilinguismo in Europa ... - EURAC

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Franz Lanthaler<br />

allerd<strong>in</strong>gs auch <strong>in</strong> vielen Gruppen, dass die TeilnehmerInnen <strong>in</strong> ihrer Muttersprache sprechen<br />

und nur bei Nichtverstehen <strong>in</strong> die andere Sprache wechseln.)<br />

In Anlehnung an Rousseaus contrat social und an e<strong>in</strong>en Vorschlag von Alberto Mioni (1990:<br />

27ff.) plädiere ich für e<strong>in</strong>en Sprachvertrag, besser gesagt für e<strong>in</strong>en Varietätenvertrag für<br />

Südtirol. Die Muster, nach denen bei uns die Kommunikation zwischen den Sprachgruppen<br />

stattfi ndet, sche<strong>in</strong>en für große Teile der Bevölkerung den Zugang zur zweiten Sprache nicht<br />

zu gewährleisten. Sprachhandeln ist, wie wir wissen, immer e<strong>in</strong> Verhandeln, wobei wir neben<br />

der Position, die wir uns gegenseitig zuweisen, und den Inhalten, um die das Gespräch kreist,<br />

immer auch die Sprache aushandeln, <strong>in</strong> der das Gespräch stattfi ndet – es sei denn, es handelt<br />

sich um komplementäre Gesprächssituationen oder wir gehen von der Annahme aus, dass<br />

die Sprache von vorn here<strong>in</strong> festgelegt ist. Wer mit e<strong>in</strong>em Nicht-Muttersprachler, der se<strong>in</strong>e<br />

Kompetenz verbessern will, spricht, muss sich benehmen wie SprachlehrerInnen und Eltern.<br />

Sie sprechen langsamer, deutlicher und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>facheren Sprache als gewöhnlich. Dieses<br />

konvergente Sprachverhalten bedeutet für deutschsprachige SüdtirolerInnen auch, dass sie <strong>in</strong><br />

solchen Situationen e<strong>in</strong>e standardnahe Varietät verwenden.<br />

Die italienischsprachigen MitbürgerInnen müssten sich allerd<strong>in</strong>gs auch auf ihre lokalen<br />

GesprächspartnerInnen zu bewegen. Da Sprache eben mehr ist als e<strong>in</strong> Kommunikationsmittel,<br />

u. a. eben auch e<strong>in</strong> identitätsstiftendes Element, sollten sie von ihren Deutsch sprechenden<br />

Gesprächspartner<strong>in</strong>nen und -partnern ke<strong>in</strong>e sprachliche Selbstaufgabe verlangen, sondern e<strong>in</strong><br />

Hörverständnis für das Lokale entwickeln. Sie sollten wissen, dass SüdtirolerInnen, die <strong>in</strong> den<br />

Dialekt verfallen, dies nicht immer tun, um sich abzuschotten und andere auszuschließen,<br />

sondern weil der deutsche Standard, so wie er bisher hier weitgehend verstanden worden ist,<br />

für sie e<strong>in</strong>e entfremdende Wirkung hat (siehe Lanthaler 1990: 73f.).<br />

Wir müssten überhaupt über unser Konzept von Muttersprache nachdenken. Dieses muss<br />

nämlich <strong>in</strong> Dialektgebieten alle Varietäten vom tiefen Dialekt bis zum mündlichen und<br />

schriftlichen Standard e<strong>in</strong>schließen. Wir wissen nun, dass wir im Dialekt sozialisierte K<strong>in</strong>der diese<br />

Varietät nicht zu lehren brauchen, aber der angemessene Umgang mit allen muttersprachlichen<br />

Ausdrucksmöglichkeiten muss von der Schule vermittelt werden. Was wir <strong>in</strong> Südtirol nach e<strong>in</strong>er<br />

Generation ohne Deutschunterricht und e<strong>in</strong>er Generation, die sich mit dieser H<strong>in</strong>terlassenschaft<br />

ause<strong>in</strong>ander gesetzt hat, brauchen, ist e<strong>in</strong>e Generation von L<strong>in</strong>guist<strong>in</strong>nen und L<strong>in</strong>guisten im<br />

S<strong>in</strong>ne von Coseriu, der sagt, dass e<strong>in</strong> L<strong>in</strong>guist ist, wer begründen kann, warum er etwas auf e<strong>in</strong>e<br />

bestimmte Weise sagt.<br />

Wenn nun also die e<strong>in</strong>en von e<strong>in</strong>er den Tiroler<strong>in</strong>nen und Tirolern oft nachgesagten „Miarsa<strong>in</strong>-miar“-Haltung<br />

wegkommen und sich auf die andern zu bewegen, diese jedoch die lokalen<br />

Varietäten respektieren und sie verstehen lernen wollen, dann kommen wir sicher zu besseren<br />

Ergebnissen <strong>in</strong> der Beherrschung der Zweitsprache als bisher. Denn die Spracherwerbsforschung<br />

sagt uns, dass wir Sprachen erwerben, wenn wir sie lernen wollen und Zugang zu ihnen haben<br />

– und dass wir verstehen, was wir verstehen wollen.<br />

378<br />

Multil<strong>in</strong>gualism.<strong>in</strong>db 378 4-12-2006 12:28:59

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