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Mehrsprachigkeit in Europa: Plurilinguismo in Europa ... - EURAC

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Oskar Putzer<br />

Sprache wird auch unter diesen neuen Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>e große Symbolkraft <strong>in</strong> der<br />

gesellschaftlichen Begegnung haben. Die Versuchung, Sprache auch <strong>in</strong> Zukunft als e<strong>in</strong>es der<br />

wichtigsten, wirksamsten und stärksten Signale für Zugehörigkeit oder Fremdheit zu werten,<br />

ist groß. Dennoch kommt auf uns unausweichlich die Aufgabe zu, Formen organisierter<br />

Geme<strong>in</strong>schaft zu suchen, <strong>in</strong> denen nicht jeweils e<strong>in</strong>e Sprache das wichtigste Zugehörigkeit<br />

konstituierende Merkmal darstellt.<br />

Dazu muss sich folgendes ändern:<br />

• Wir müssen die Überzeugung ablegen, dass die dem Nationalismus <strong>in</strong>härente Intoleranz und<br />

Ablehnung des Fremden legitim sei.<br />

• Wir müssen uns emotional und mental von der kulturhistorisch tief verankerten Vorstellung<br />

lösen, dass jeweils e<strong>in</strong>e Sprache das primäre Geme<strong>in</strong>schaft konstituierende Kriterium sei.<br />

Wir müssen diese nahezu <strong>in</strong>st<strong>in</strong>ktive Gewohnheit alles, was nicht „unsere“ Sprache spricht,<br />

als fremd, unbekannt (und somit „unheimlich“) e<strong>in</strong>zustufen, überw<strong>in</strong>den und die Sprache<br />

von dieser Symbolkraft befreien. Sprache darf <strong>in</strong> der uns bevorstehenden Gesellschaft nicht<br />

mehr diese Gruppen konstituierende Symbolkraft haben. Es bleiben dennoch ausreichend<br />

wichtige und würdige Funktionen für die Sprache.<br />

• Wir müssen <strong>in</strong> der Tat ernsthafte und ehrliche Anstrengungen unternehmen, damit wir<br />

„mehrsprachig“ werden, denn die Kenntnis von Sprachen hilft Fremdheit abzubauen<br />

– genauer: Sie trägt dazu bei, unsere <strong>in</strong>tuitiv-emotional negative Reaktion auf Fremdes zu<br />

überw<strong>in</strong>den. Das durch die Sprache gewährleistete Verstehen beseitigt das, was wir am<br />

„Fremden“ fürchten: das nicht durchschaubar/nicht berechenbar Se<strong>in</strong>.<br />

Angesichts der <strong>in</strong> <strong>Europa</strong> bevorstehenden Aufgaben, angesichts der Tatsache, dass die<br />

historisch bed<strong>in</strong>gten (politischen, soziologischen und kulturellen) Voraussetzungen zur<br />

Bewältigung dieser Aufgaben denkbar ungünstig s<strong>in</strong>d, ersche<strong>in</strong>t es mir nicht vorrangig e<strong>in</strong>e<br />

wissenschaftlich exakte (d.i. soziologisch und psychologisch befriedigende) Defi nition von Zwei-<br />

/<strong>Mehrsprachigkeit</strong> zu fi nden und den Unterschied zwischen dem Mehrsprachigen e<strong>in</strong>erseits und<br />

dem E<strong>in</strong>sprachigen mit guten Fremdsprachenkenntnissen andererseits zu erfassen. Wesentlich<br />

dr<strong>in</strong>glicher ersche<strong>in</strong>t mir die Ziel setzung, dass möglichst viele Bürger <strong>Europa</strong>s mehrere Sprachen<br />

relativ gut sprechen (egal ob die Wissenschaft glaubt, diese als Zweit- oder Fremdsprachen<br />

defi nieren zu müssen), damit sie die Voraussetzungen haben<br />

• dank sprachlichem Verstehen dem Fremden unbefangen zu begegnen,<br />

• die (gesellschaftspolitisch anerzogene, kulturhistorisch tief verwurzelte) Über bewertung der<br />

Erstsprache für ihr Selbstverständnis und für ihr soziales (nicht: nationales) Zugehörigkeits-<br />

und Geborgenheitsgefühl zu überw<strong>in</strong>den.<br />

Wir werden uns auch daran gewöhnen müssen, <strong>in</strong> unserer Erstsprache mit den überregionalen,<br />

standardnahen Varietäten größere Vertrautheit zu gew<strong>in</strong>nen, ohne dass wir deshalb<br />

unsere lokalen Varietäten (Dialekt) ganz aufgeben. 14 Sprachkompetenz und Sprachverhalten<br />

des zukünftigen europäischen Bürgers könnte ich mir als e<strong>in</strong>e Art mehrsprachige funktionale<br />

14 „Für die monozentrischen politischen und rechtlichen Institutionen der modernen Staaten, die modernen<br />

überregionalen Ökonomien sowie die modernen Kommunikationsmittel und Medien ist es äußerst vorteilhaft, wenn<br />

sprachliche Verständigung <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es weiten Territoriums standardisiert wird. Die ideologisch-symbolhafte und<br />

die praktische Funktion von Nationalsprachen s<strong>in</strong>d untrennbar mite<strong>in</strong>ander verbunden, da beide darauf beruhen,<br />

dass e<strong>in</strong>e Sprache e<strong>in</strong>e große Zahl von Menschen erreichen kann: aus diesem Grund müssen National sprachen immer<br />

Standardsprachen se<strong>in</strong>.“ (Schre<strong>in</strong>er 2006: 141)<br />

56<br />

Multil<strong>in</strong>gualism.<strong>in</strong>db 56 4-12-2006 12:25:14

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