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Flüchtlinge und das ‚Aushandeln

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Tagebücher, immerhin drei Jahrzehnte, ruhen im Pariser coffre-fort. Werden wir<br />

sie jemals wiedersehen?“ (FEDER 1971, S. 7). Ähnlich wie im Fall der Tagebücher<br />

von Thomas Mann <strong>und</strong> anderen Emigranten war <strong>das</strong> Schicksal von Feders<br />

Aufzeichnungen eng mit seinem eigenen verb<strong>und</strong>en. Es dauerte einige Jahre,<br />

bis der Journalist sie wieder zurückerhielt, denn dies geschah erst nach dem<br />

Zweiten Weltkrieg.<br />

Es gibt unterschiedliche Gründe, die Menschen dazu veranlassen, ein Tagebuch<br />

zu führen. Ernst Feder knüpfte an die Tradition des politischen Tagebuchs<br />

an, denn er war sich sehr wohl bewusst, <strong>das</strong>s er als innenpolitischer Redakteur des<br />

Berliner Tageblatts <strong>und</strong> als Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei über eine<br />

privilegierte Stellung nahe am Zeitgeschehen verfügte <strong>und</strong> mit wichtigen Personen<br />

verkehrte. Er repräsentiert daher den Typus „Tagebuchschreiber, der Zeitgeschehen<br />

bezeugen wollte, der ein Gespür für historische Augenblicke hatte, ohne<br />

dabei seine Zeugenschaft in den Vordergr<strong>und</strong> zu spielen“ (GÖRNER 1986, S. 18;<br />

Herv. im Text). Die Tagebücher bis zu seiner Emigration zeichnen denn auch mehr<br />

ein Bild von den Ereignissen um ihn herum, als <strong>das</strong>s sie Persönliches von ihm offen<br />

legen. Der Journalist selbst las gerne in ihnen nach; sei es, um sich gewisse Begebenheiten<br />

ins Gedächtnis zu rufen; sei es, um zu überprüfen, ob seine Einschätzung<br />

der Geschehnisse, wie er sie aus der Situation heraus getroffen hatte, mit den<br />

tatsächlichen Entwicklungen in der Folge übereingestimmt hatte. Die Bedeutung,<br />

die Feders Tagebüchern aufgr<strong>und</strong> dieser Zeugenschaft als historisches Dokument<br />

zukommt, lässt sich daran erkennen, <strong>das</strong>s sie von Wissenschaftlern für Untersuchungen,<br />

z. B. über <strong>das</strong> Berliner Tageblatt oder <strong>das</strong> Ende der Weimarer Republik als<br />

wichtige <strong>und</strong> unerlässliche Quelle herangezogen wurden. 5<br />

Der Bruch, den die Emigration im Leben der Feders darstellte, wird auch in<br />

den Tagebüchern sichtbar. „Diesen Bruch abzumildern oder gar zu überwinden,<br />

greift der Exilierte zur Feder. Die täglichen Eintragungen […] versichern ihm, daß<br />

die Katastrophe ihn nicht unempfindlich gemacht hat, daß er es nicht verlernt hat,<br />

nachzudenken <strong>und</strong> seine Überlegungen in Worte zu kleiden“ (SELLMER 1997, S.<br />

45). Die während des Exils in Frankreich <strong>und</strong> Brasilien geführten Tagebücher<br />

weisen andere Charakteristiken <strong>und</strong> Themenschwerpunkte auf. Als politisch interessierter<br />

Mensch gab Feder der Politik in seinen Tagesnotizen selbstverständlich<br />

weiterhin Raum. Die Vorgänge in Deutschland waren hierbei von vorrangiger<br />

Bedeutung, nicht nur, weil die Verb<strong>und</strong>enheit mit der Heimat durch die Auswanderung<br />

keineswegs geringer geworden war, sondern auch, weil die Entwicklungen<br />

nicht zuletzt auch Auswirkungen auf Frankreich <strong>und</strong> die Lage der dort<br />

weilenden deutschen Exilanten hatten. Gleichwohl traten nun zunehmend Beschreibungen<br />

der Schwierigkeiten beim Aufbau einer neuen Existenz <strong>und</strong> des<br />

sich Einfügens in <strong>das</strong> andere Lebensmilieu in den Vordergr<strong>und</strong>. In Frankreich<br />

waren jedoch die Voraussetzungen dafür für Emigranten noch vergleichsweise<br />

günstig. Das wohlbekannte <strong>und</strong> vertraute Paris empfanden sie als keine wirkliche<br />

5. Als Beispiel sei nur hingewiesen auf Gotthart Schwarz’ Werk Theodor Wolff <strong>und</strong> <strong>das</strong> „Berliner<br />

Tageblatt“. Eine liberale Stimme in der deutschen Politik 1906 – 1933 (Tübingen 1968) <strong>und</strong><br />

Bernd Sösemanns Abhandlung Das Ende der Weimarer Republik in der Kritik demokratischer<br />

Publizisten: Theodor Wolff, Ernst Feder, Julius Elbau, Leopold Schwarzschild (Berlin 1976).

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