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Flüchtlinge und das ‚Aushandeln

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Hinzu kommt noch, <strong>das</strong>s dem inneren, primären Synkretismus abweichender<br />

afrikanischer Religionen ein äusserer, sek<strong>und</strong>ärer Synkretismus<br />

folgte, vor allem auf Gr<strong>und</strong> des Einflusses katholischer Auffassungen,<br />

die sich infolge des äusseren Drucks, neben indianischen <strong>und</strong><br />

spiritistischen Vorstellungen, besonders bemerkbar machen. (126)<br />

Vor diesem historischen Hintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> im Abgleich mit afrikanischen Ursprüngen<br />

<strong>und</strong> Vorformen erläutert Rosenfeld dann zunächst den Götterpantheon<br />

des Candomblé, benennt Entsprechungen <strong>und</strong> Identitäten der Gottheiten sowie<br />

ihre Verschiebungen <strong>und</strong> Veränderungen im Zuge des kulturellen Transfers von<br />

Afrika nach Brasilien (126ff).<br />

Danach fasst er die Formen <strong>und</strong> Funktionen der Kultstätten, der terreiros (130ff),<br />

zusammen, nennt die verschiedenen Institutionen <strong>und</strong> Aufgaben der Beteiligten<br />

(Pai-de-santo oder mãe-de-santo, axôgun, filhas-de-santo usw.) <strong>und</strong> schildert die<br />

Organisation des religiösen Lebens mit Ausbildung <strong>und</strong> Initiation etwa der filhasde-santo.<br />

Schließlich folgt eine eingehende Beschreibung der Zeremonie, die streckenweise<br />

narrative Züge annimmt. Dabei bleibt allerdings ungeklärt, ob Rosenfeld<br />

selbst ein- oder gar mehrmals terreiros in Bahia besuchte <strong>und</strong> dort abgehaltenen<br />

Zeremonien beiwohnte oder sich für seine Darstellung ganz auf Berichte<br />

Dritter stützt. Folgendes Textbeispiel mag einen Eindruck davon vermitteln:<br />

Der Tanz hat endlich rasende Formen angenommen, ohne jedoch zügellos<br />

zu sein. Die Masse ist wie von einem Rausch erfasst. Trunken<br />

von der hypnotischen Monotonie der Atabaques, verwirrt vom bunten<br />

Flitter des sich zum Paroxysmus steigernden Reigens, fast betäubt vom<br />

schweren Brodem der bahianischen Nacht, fühlen sich alle zu einer<br />

begeisterten Einheit verschmolzen. Unter den Anwesenden befinden<br />

sich Filhas anderer Candomblés, die bei den ihren Orixás gewidmeten<br />

Klängen fürchten, in einer fremden Umgebung in Verzückung zu geraten.<br />

Sie bitten um Wasser, <strong>das</strong>, von ihnen getrunken, den Sturz in den<br />

Gott verhindert. (136)<br />

Gerade im Hinblick auf die deutende Verbindung von Ritual, seiner darstellenden,<br />

performativen Dimension <strong>und</strong> den mythischen Tiefen kultureller Götterwelten<br />

erweist Rosenfeld sich als einfühlsamer <strong>und</strong> tiefgründiger Beobachter <strong>und</strong> Autor.<br />

Den Ablauf <strong>und</strong> die Gr<strong>und</strong>züge der Zeremonie des Candomblé mit dem Hineinfahren<br />

der Gottheiten in ihre Medien versteht er als Anrufung, Vergegenwärtigung<br />

<strong>und</strong> Verehrung der Götter, zugleich als Inszenierung <strong>und</strong> jeweils neue Nacherzählung<br />

der dem Glauben zugr<strong>und</strong>e liegenden Mythen.<br />

Denn sei es nun, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Tanzritual eine Darstellung der Göttergeschichte<br />

ist, die dramatische Aufführung des epischen Geschehens,<br />

<strong>das</strong>, in Urzeiten abgelaufen, nun zur feierlichen Gegenwart wird; sei<br />

es, <strong>das</strong>s die mythische Erzählung nichts ist als eine nachträgliche Interpretation<br />

des heftigen Gefühlsausbruchs, der motorischen Entladung,<br />

die, von der Gesellschaft gebändigt <strong>und</strong> geformt, zum symbolischen<br />

Ausdruck geworden ist: auf jeden Fall fordern Mythos <strong>und</strong> Ritual einander<br />

<strong>und</strong> eins ist mit dem andern auf’s innigste verschlungen. [...]<br />

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