Flüchtlinge und das ‚Aushandeln

Wandsprüchen zum Ausdruck gebracht. Gerade darin liegt ein wichtiger Unterschied
zwischen den deutschen und den in der Landessprache verfassten ‚italienischen‘
Wandsprüchen.
Schlussfolgerungen
Das Medium Wandsprüche und unser Bedarf an Lehrwörtern
Die linguistische Mentalitätsgeschichte erforscht das Verhältnis zwischen Denken,
Sprache und Handeln bzw. Einstellungen in einer Sprachgruppe. Sie beschäftigt
sich dabei gerade mit den habituell gewordenen Gedanken und nicht mit den
außergewöhnlichen und einzigartigen. Eine Sammlung von Wandsprüchen wie
die hier vorgelegte gibt uns Zugang zu der Gedankenwelt, der Mentalität einer
bestimmten Gruppe zu einer bestimmten Zeit. Mit Hilfe des Beschreibungsmodells
konnte ich in Bezug auf die Wandsprüche zeigen, dass sie im Bereich der ethischen
Konzepte eine kleinere Anzahl von Eigenschaften thematisieren und dass
es sich dabei vor allem um Tugenden handelt. Mit wenigen Ausnahmen fehlen
Aussagen zu Lastern ganz. Der Themenkreis umfasst in erster Linie Emotionen,
Religiosität und Fleiß, aber auch Eigenschaften wie Gastfreundlichkeit und Stolz
auf das eigene Heim gehören zu den Prioritäten, ebenso wie Geduld und Ehrlichkeit.
Eine Analyse der mündlichen Aussagen zeigt, dass an denselben traditionellen
Wertvorstellungen festgehalten wird, indem als stereotyp deutsch angesehene
Tugenden und Laster positiv bzw. negativ kommentiert werden.
Beim Vergleich mit der Wandspruchsammlung aus der italienischen Kolonie
wird die Tendenz zur Konzentration auf wenige, nur positive Eigenschaften bestätigt.
Die angeschnittenen Themen sind ebenfalls dieselben, wenn auch einige
Unterschiede festgestellt werden konnten. In beiden Korpora geht es darum, nur
die guten Gefühle zu zeigen, den anderen zu helfen und alles zu vermeiden, was
andere verletzen könnte. Durch ein solches Verhalten trage man auch zum eigenen
Glück bei. Der deutsche Spruch Das Leben ist kurz – Seid gut zueinander drückt
diese Quintessenz aus.
Die Wandsprüche geben also ein aufschlussreiches Bild der anzustrebenden
mentalen Kultur der Familie in den verschiedenen Ethnien. Sie wollen im alltäglichen
Leben in erster Linie trösten, helfen und ermutigen und bedeuten somit eine
Lebenshilfe. Da sie als die Stimme der Frau angesehen werden können, heben sie
die Rolle der Frau als Kulturträgerin hervor. Dass die Sprüche jahrzehntelang im
Gedächtnis vieler Menschen gespeichert bleiben und in bestimmten Situationen
abgerufen werden, ist wohl der beste Beweis dafür, dass es sich hier nicht um leere
Worte handelt, sondern um Lehren, die einen das ganze Leben begleiten können.
Literatur
FAVARO, Cleci E. (Hrsg.) (2001): Imagens e palavras. Iconografia e linguagens no processo de transmissão
e preservação de valores culturais na Região Colonial Italiana do Rio Grande do Sul. (Forschungsprojekt
Unisinos, CD Rom). Sao Leopoldo.
HERMANNS, Fritz (1995): Sprachgeschichte als Mentalitätsgeschichte. In: GARDT, A. / MATTHEIER, K. /
REICHMANN, O. (Hrsg.): Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen. Gegenstände, Methoden, Theorien.
Tübingen, S. 68-101.
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