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Flüchtlinge und das ‚Aushandeln

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Und wir sind im Busch schlafen gegangen, <strong>und</strong> an manchen Tagen hat<br />

es geregnet, an manchen schien die Sonne… oh mein Gott im Himmel.<br />

Und die Frauen trugen ihre Kinder unter die Bäume, alles um sich zu<br />

verstecken. Wenn es Morgen wurde, liefen die Alten in die Häuser, um<br />

schnell eine farofa zu machen <strong>und</strong> sie den Kindern im Busch zu bringen.<br />

Und so haben wir gekämpft, gekämpft, gekämpft… Wir haben uns<br />

dann so verstreut, einige hierhin, andere dorthin. […] Liebe Leute, ich<br />

sage euch, was haben wir hier schon gelitten. […] Kaum, <strong>das</strong>s man’s<br />

wusste, hatten sie schon unser Land verpachtet. Als die Männer kamen,<br />

haben sie uns verjagt. Alle sind weggegangen wie wir, wie ich<br />

<strong>und</strong> meine Mutter. Wir haben ein Stück Erde zurückgelassen mit reifen<br />

Bohnen, Kürbissen, maxixe, mit allem möglichen, was wir gepflanzt<br />

hatten, Melonen… alles schon reif, fertig zum Ernten. Wir haben da<br />

alles zurückgelassen. 1<br />

Der brasilianische Nordosten ist berühmt für seine afro-brasilianische Kultur<br />

<strong>und</strong>, verlässt man die Küstenregion, für die entbehrungsreiche Lebenswelt des<br />

Sertão. Von der indigenen Bevölkerung der Region allerdings hört man in der<br />

Regel wesentlich weniger. Indianisch belegte Symbolik taucht in der populären<br />

Kultur des Nordostens kaum auf – <strong>und</strong> wo doch, meist lediglich als Verweis auf<br />

eine mythische Vergangenheit, in der die Indigenen in ihrer Begegnung mit den<br />

Kolonisatoren im Nordosten einen der Gr<strong>und</strong>steine für die brasilianische Kultur<br />

legten <strong>und</strong> sich dann in ihr auflösten.<br />

Jedoch haben die indigenen Völker des Nordostens eine ebenso lange Geschichte<br />

wie diejenigen anderswo im Land, <strong>und</strong> natürlich endet sie nicht mit der<br />

Ankunft der Portugiesen in Brasilien. Der Orden der Jesuiten begann mit dem<br />

Segen der portugiesischen Regierung ab dem 16. Jahrh<strong>und</strong>ert, vor allem die im<br />

Sertão entlang des Rio São Francisco ansässigen Indianer in Missionsstationen<br />

umzusiedeln, in denen den Indigenen Arbeitsdisziplin beigebracht <strong>und</strong> Katechese<br />

betrieben wurde. In diesen neuen Dörfern wurden Angehörige verschiedener<br />

ethnischer Gruppen <strong>und</strong> Sprachfamilien um eine zentrale Kapelle herum sesshaft<br />

gemacht. Ziel des Unternehmens war, neben der natürlich stets erstrebten Verbreitung<br />

des christlichen Glaubens in unwegsamen Gegenden, die Befriedung<br />

der „Wilden“, damit sie sich anschließend hilfreich, fügsam <strong>und</strong> zumindest ansatzweise<br />

zivilisiert in <strong>das</strong> Unterfangen der weiteren Erschließung des neuen Landes<br />

integrieren lassen würden. Das Verhältnis zwischen Orden, portugiesischer Krone<br />

<strong>und</strong> Autoritäten vor Ort war dabei allerdings kein konfliktfreies, hatten doch Jesuiten<br />

<strong>und</strong> Kolonisten sehr verschiedene Vorstellungen davon, auf welche Weise<br />

die Indianer an Zivilisation <strong>und</strong> Christentum herangeführt werden sollten. Oftmals<br />

waren die aldeias die einzigen Orte, an denen die Indigenen vor der Versklavung<br />

<strong>und</strong> vor anderen gewaltsamen Übergriffen durch die weißen Siedler verhältnismäßig<br />

sicher waren (vgl. SGRECCIA 1981, S. 29-52).<br />

1. Interview mit Maria de Jesus do Rosário (Pataxó-Hãhãhãe) am 14/09/2004, durchgeführt im<br />

Rahmen der Materialsammlung für die Indios-Online-Website. Die ersten Fragen stellte ich,<br />

bis ich vom Pataxó-Hãhãhãe Paulo Titiá abgelöst wurde, der wesentlich geschickter darin<br />

war als ich. Hier <strong>und</strong> auch im Folgenden meine Übersetzung.<br />

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