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Flüchtlinge und das ‚Aushandeln

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die äquatorialen Breiten die reine Harmonie tellurischer Kräfte ausstrahle <strong>und</strong><br />

dadurch eine Gegend seien, die philosophische Kontemplationen, Wehmut, heilige<br />

Ruhe <strong>und</strong> Ernst ermögliche, sondern auch auf der Beobachtung der artenreichen<br />

Natur. Als Anhänger vitalistischer Naturlehren erkannten sie in jedem Lebewesen<br />

eine immanente Lebensfreude. Und diese manifestiere sich nirgendwo stärker<br />

als in den äquatorialen Breiten, dank der üppigen Natur:<br />

Noch nie war uns die Schöpferkraft der mütterlichen Erde so majestätisch<br />

entgegengetreten, als hier, wo in überschwenglicher Fülle die Pflanzenwelt<br />

hervorquillt. (SPIX / MARTIUS, 1980, S. 882)<br />

Dass Martius an dieser Stelle einen literarischen Exkurs in den Reisebericht<br />

einfügt, ist nicht unüberlegt <strong>und</strong> soll noch einmal auf die Einzigartigkeit des Ortes<br />

hinweisen: „Da dieser Reisebericht auch ein Spiegel unseres innern Lebens seyn<br />

[soll] [...], so sey erlaubt ein Blatt des Tagebuches beizufügen“:<br />

Pará, den 16. August 1819. Wie glücklich bin ich hier, wie tief <strong>und</strong> innig<br />

kommt hier so Manches zu meinem Verständnisse, <strong>das</strong> mir vorher unerreichbar<br />

stand! Die Heiligkeit dieses Ortes, wo alle Kräfte sich harmonisch<br />

vereinen, <strong>und</strong> wie zum Triumphgesang zusammentönen, zeitigt Gefühle<br />

<strong>und</strong> Gedanken. Ich meine besser zu verstehen, was es heisse, Geschichtsschreiber<br />

der Natur seyn. [...] Es ist 3 Uhr Morgens; ich verlasse<br />

meine Hangmatte, denn der Schlaf flieht mich Aufgeregten; ich öffne die<br />

Läden, ich sehe hinaus in die dunkle, hehre Nacht [...]. (Ebd., S. 888).<br />

Das sind die einführenden Worte einer Schilderung, wo <strong>das</strong> Schauspiel der tropischen<br />

Natur in der Vielfältigkeit ihrer Lebenwesen, Geräusche, Gerüche, Farben, Spannungen<br />

<strong>und</strong> Bewegungen so beschrieben wird, <strong>das</strong>s alle Sinnesorgane angesprochen<br />

werden. Im Reisebericht ist kaum ein besseres Beispiel ästhetischer Behandlung<br />

der Naturobjekte im Sinne des Humboldtschen Naturgemäldes als dieses zu finden.<br />

Dem Leser sollte es möglich sein, die Gefühle <strong>und</strong> den Genuss der Naturbetrachtung<br />

in den Tropen nachzuvollziehen <strong>und</strong> sich dabei auch zu bilden. Ebenfalls wird darauf<br />

hingewiesen, <strong>das</strong>s nirgendwo die göttliche Dimension der Natur ausgeprägter sei als<br />

im Amazonasgebiet. Der Exkurs endet mit dem Einbruch der Nacht:<br />

In Schlaf <strong>und</strong> Traum sinkt die Natur, <strong>und</strong> der Aether, sich in ahnungsvoller<br />

Unermesslichkeit über die Erde wölbend, von zahllosen Zeugen<br />

fernster Herrlichkeit erglänzend, strahlt Demuth <strong>und</strong> Vertrauen in <strong>das</strong><br />

Herz des Menschen: die göttlichste Gabe nach einem Tag des Schauens<br />

<strong>und</strong> des Geniessens. (SPIX / MARTIUS 1980, S. 893)<br />

Die theophanische Dimension dieser Urwälder, die der romantischen Seele<br />

der Forscher Genuss sowie wissenschaftliche Erkenntnis verschaffen, erleidet<br />

zuweilen eine Bedrohung durch <strong>das</strong> erschreckende <strong>und</strong> „blutrünstige“ grüne<br />

Dickicht. In vielen Situationen gleicht die Reise der Autoren einem Gang durchs<br />

Fegefeuer. Sie sind nicht ganz ges<strong>und</strong> aus São Luís bzw. Belém losgefahren, <strong>und</strong> ihr<br />

Zustand, trotz aller Motivation, verbessert sich während der Reise natürlich nicht.<br />

Da waren der andauernde Regen, die Strapazen der Reise an sich, schlechte<br />

Übernachtungslager <strong>und</strong> zudem Mosquitos <strong>und</strong> allerlei Ungeziefer, die sie „zur Ver-<br />

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