Flüchtlinge und das ‚Aushandeln

Auf diesen Zusammenhang zwischen den Sternen auf der brasilianischen Fahne
und dem Himmel am Morgen des 15. November 1889 hatte Jens Soentgen am
22.4.2000 in einem brillanten Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als Beitrag
zur 500-Jahrfeier der „Entdeckung“ Brasiliens für deutsche Leser erstmals
hingewiesen. Er gab damit die offizielle Version der brasilianischen Regierung wieder
(erweiterte Fassung in Tópicos, SOENTGEN 2000). Er bringt sogar ein Foto
des Kreuz des Südens mit der Überschrift: „Der Sternenhimmel ist ein
Schnappschuss, die Momentaufnahme der Nacht über Rio de Janeiro am Morgen
des 15. November 1889, und zwar zwischen sechs und sieben Uhr morgens.“
Es handelt sich offensichtlich um eine Fotomontage: Zuckerhut bei Nacht, riesiges
Kreuz des Südens und eine brasilianische Fahne mit dem seitenverkehrten
Kreuz des Südens (s. Titelbild von Tópicos 3/2000).
Meines Wissens taucht die „romantische Idee“ (Mourão 1998, S. 102), dass es
sich um den Himmel über Rio am 15. November, um 8 Uhr 30 (Sternzeit 12 Uhr)
handeln solle, erstmals in dem Dekret Nr. 5.443 vom 28. Mai 1968, zur Brasilianischen
Fahne auf. Dies wurde mit dem Dekret Nr. 5.700 vom 1. September 1971
wiederholt (cf. Abdruck in ibd., S. 90).
Es muss aber später jemandem aufgefallen sein, dass man am Morgen des 15.
November keinerlei Sterne über Rio de Janeiro beobachten kann, der Zeitpunkt
wurde daher in dem neuen Dekret 8.421 vom 11. Mai 1992 auf den Abend desselben
Tages verlegt, statt 8 Uhr 30 nun auf 20 Uhr 30.
Auch die Verfasser des Textes im Internet bei Wikipedia wundern sich über
diesen Widerspruch, den man erfährt, wenn man „Bandeira do Brasil“ eingibt. Es
werden beide Erklärungen des Gesetzes hintereinander zitiert, man erhält jedoch
keine Erläuterung für dieses unnatürliche Phänomen. In der offiziellen Deutung
wird jedoch erläutert, warum dieser auf der brasilianischen Fahne abgebildete
Sternenhimmel für einen Menschen von der Erde aus so nicht sichtbar ist:
Dekret von 1968, Artigo 3, § 1: As constelações que figuram na Bandeira Nacional
correspondem ao aspecto do céu, na cidade do Rio de Janeiro, às 8 horas e 30
minutos do dia 15 de novembro de 1889 (doze horas siderais) e devem ser
consideradas como vistas por um observador situado fora da esfera celeste.
[Die Sternbilder, die auf der brasilianischen Fahne zu sehen sind, entsprechen
dem Himmelsbild über der Stadt Rio de Janeiro, um 8 Uhr 30,
am 15. November 1889 (12 Uhr Sternzeit) und entsprechen dem Bild, das
ein Beobachter außerhalb der Himmelsphäre von ihnen hätte.]
Dekret von 1992, Artigo 3, § 1°: „[...] um 20 Uhr 30 […]“. (Bandeira do
Brasil, Wikipedia, Stand: 19.6 2007, S. 2; Hervorh. d. Verf.).
Fakt: Am 15. November ist weder morgens noch abends das Kreuz des Südens in Rio
de Janeiro sichtbar, es taucht (scheinbar) erst im Januar abends wieder auf, wie jeder
in Rio de Janeiro beobachten kann. Mourão führt die Daten von Januar bis Juni an,
wenn das Kreuz des Südens jeweils am 15. des Monats nachts über dem Himmel von
Rio de Janeiro in der Konstellation zu sehen ist, wie sie – seitenverkehrt und phantasievoll
abgewandelt – auf der brasilianischen Fahne zu sehen sei (MOURÃO 1998, S. 93).
Meines Erachtens handelt es sich bei dem Ausschnitt der Sternbilder in der
brasilianischen Flagge um die Abbildung der Sterne am Südhimmel am 20. Septem-
295