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Flüchtlinge und das ‚Aushandeln

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tativ“ bezeichnet, bringe es mit sich, <strong>das</strong>s eben im Zusammenkommen verschiedenster<br />

Eigenheiten eines Menschen als sozialer Faktoren die negative Sichtbarkeit<br />

seiner Hautfarbe verschwinden oder zumindest gemildert werden könne: Je<br />

wohlhabender, erfolgreicher, gebildeter oder eleganter die Person, desto bereitwilliger<br />

<strong>und</strong> stärker werde sie als „weiß“ wahrgenommen <strong>und</strong> offiziell auch so<br />

klassifiziert. Diesen eigentümlichen Mechanismus der brasilianischen Gesellschaft<br />

illustriert er mit dem zeitgenössischen Sprichwort „Quem escapa de negro, branco<br />

é“, wohingegen in den USA die whiteness den absoluten Wert darstelle, an dem<br />

man gemessen würde <strong>und</strong> gemäß derer alle Abweichungen einen zum „Farbigen“<br />

stempelten (158). 8 Das in den USA zum Schlagwort gewordene passing als<br />

Aufstieg in eine von der weißen weiterhin getrennten schwarze Mittelschicht gestaltet<br />

sich somit in Brasilien anders – eben als „passar por branco“ – <strong>und</strong> sehe sich<br />

mit einer „Übergangszone“ zwischen den Ethnien konfrontiert (170).<br />

Historisch bestehe somit in Brasilien kein so krasser Gegensatz zwischen der nationalen<br />

Ideologie universeller Gleichheit <strong>und</strong> der real existierenden Diskriminierung<br />

wie in den USA, <strong>und</strong> dem entsprechend auch nicht <strong>das</strong> Bedürfnis (wie dort)<br />

nach einer kompensatorischen, rechtfertigenden Ideologie. Doch Rosenfeld analysiert<br />

diese brasilianische Zweischneidigkeit noch weiter <strong>und</strong> verdeutlicht, <strong>das</strong>s im<br />

Kern dieser scheinbaren Harmonie von gesellschaftlicher Realität <strong>und</strong> nationalem<br />

Projekt die geheime, heimliche Hoffnung ruhe, im Zuge der (wiederum im Gegensatz<br />

zu den die „Rassentrennung“ bevorzugenden USA) positiv besetzten ethnischen<br />

Vermischung schließlich eine „Aufweißung“ der Bevölkerung zu erreichen. Ähnlich<br />

zweischneidig sind für Rosenfeld die Auswirkungen dieser Dynamik, die wiederum<br />

eigene ideologische Dimensionen besitzt. Denn sie werde von der scheinbar nur<br />

geringfügig diskriminierten farbigen Bevölkerung derart verinnerlicht, <strong>das</strong>s sie die<br />

mit ihr verb<strong>und</strong>enen Vorurteile übernehme <strong>und</strong> somit perpetuiere.<br />

Das Fehlen einer Diskriminationen rechtfertigenden Ideologie schliesst<br />

freilich nicht aus, <strong>das</strong>s zahlreiche Stereotype als Splitter <strong>und</strong> Atome<br />

einer latenten, strengster Zensur unterliegenden Ideologie eine gewisse<br />

Verbreitung haben. [...] Die Stereotype tragen dazu bei, <strong>das</strong>s sich<br />

bei den Farbigen genau die Eigenschaften entwickeln, die ihnen in simplifizierender<br />

Verallgemeinerung zugeschrieben werden. Die sich subtil<br />

enthüllende Meinung über die Farbigen wird von diesen „introjiziert“,<br />

übernommen. Endlich kommt es soweit, <strong>das</strong>s sie nach dem Bilde leben,<br />

welches die Weissen sich von ihnen zu machen pflegen, <strong>und</strong> <strong>das</strong>s<br />

sie so handeln, wie man es von ihnen erwartet. Auf diese Weise formt<br />

der Weisse den Farbigen nach dem Ebenbilde der Vorstellung, die er<br />

von ihm entworfen hat. (160)<br />

Schwarze müssten in dieser Konstellation einen ungleichen Kampf mit ihren<br />

weißen Mitbürgern um soziale Positionen <strong>und</strong> Chancen führen, was wiederum<br />

8. Ebenfalls in den 50er Jahren analysierte der US-amerikanische Anthropologe <strong>und</strong> Lateinamerikanist<br />

Charles Wagley diesen f<strong>und</strong>amentalen Unterschied im Umgang mit der Hautfarbe<br />

als ethnische <strong>und</strong>/oder soziale Kategorie – unter Einsatz des Begriffs der „social race“<br />

– in Mittelamerika <strong>und</strong> Brasilien gegenüber der strikten Trennung <strong>und</strong> absoluten Ethnisierung<br />

in den USA (vgl. WAGLEY 1968).<br />

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