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Flüchtlinge und das ‚Aushandeln

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asilianischen Nationalgesellschaft ein ordentliches Bild abgeben wollten – mit<br />

der Abschlussrede Marilenes, nachdem alle Interviews <strong>und</strong> Fotos gemacht <strong>und</strong><br />

ein weiterer Toré getanzt worden war, wurde klar, <strong>das</strong>s die Kazikin die Gelegenheit<br />

meiner Anwesenheit noch für einen weiteren Zweck nutzte: Sie verband den<br />

Dank an mich mit einer Aufforderung an ihre Leute, diesem schönen Tag weitere<br />

ähnliche folgen zu lassen, vielleicht jeden Sonntag – es ging darum, ein<br />

gemeinschaftsstiftendes Ritual wieder zu beleben oder neu zu erfinden. Marilene<br />

wollte nicht nur mir <strong>und</strong> durch mich dem Rest der Welt zeigen, wie richtige Indianer<br />

auszusehen haben, sondern auch den Pataxó, denen es in ihren Augen offenbar<br />

an gemeinschaftlicher traditioneller kultureller Praxis fehlte.<br />

Schlüsse<br />

Ich halte <strong>das</strong> hier präsentierte Material für ausreichend, den Leser zumindest<br />

skeptisch zu machen gegenüber zu einfachen Ansätzen zur Interpretation indigener<br />

Medienprodukte; ich möchte es als ein Argument für die Notwendigkeit multilokaler<br />

Ethnographie in diesem Feld verstanden wissen. Die Heterogenität <strong>und</strong><br />

Multivokalität des Prozesses, der mit der immer noch ausstehenden Veröffentlichung<br />

der Broschüren der Xukuru-Kariri <strong>und</strong> Pataxó-Hãhãhãe seinen Abschluss<br />

finden wird, sollte klar geworden sein.<br />

Am Ende stehen zwei Produkte, die nur scheinbar einstimmige, scheinbar „rein“<br />

indianische Inhalte dokumentieren <strong>und</strong> präsentieren: Zwei kleine, homogen erscheinende<br />

Oberflächenausschnitte über durch <strong>und</strong> durch heterogenen <strong>und</strong><br />

stets dynamisch in Bewegung befindlichen Kulturen. Damit sollte auch deutlich<br />

geworden sein, wie viel Vorsicht geboten ist bei der Verwendung indigener Medienprodukte<br />

als ethnographische Quellen: Ohne Einblick in den komplexen<br />

Produktionsprozess einer solchen Medialisierung lassen sich nur wenige Aussagen<br />

machen über die Beziehungen zwischen dem im Medium transportierten Bild<br />

<strong>und</strong> dem in der Realität stattfindenden indigenen Alltag. Es reicht nicht, sich Bilder<br />

<strong>und</strong> Texte im Internet anzusehen oder mit den Indianern im Chat zu plaudern;<br />

eine Beobachtung vor Ort lässt andere <strong>und</strong> aufschlussreichere Blicke auf die in<br />

den Medien stattfindenden Interaktionen zu.<br />

Dass eine wachsende mediale Präsenz indigener Gruppen auch im Internet zu<br />

verzeichnen ist, zeigt zum Beispiel eine schon 1998 erschienene Ausgabe von<br />

Cultural Survival Quarterly mit dem Titel The Internet and Indigenous Groups<br />

(CULTURAL SURVIVAL INC. 2003), die in einigen kurzen Fallbeispielen erfolgreiche<br />

indigene Aneignungen von Internettechnologien vorstellt. Tatsächlich ging<br />

die erste indianische Website, die der Oneida Indian Nation in New York, schon<br />

1994 ans Netz – also noch bevor weniger weltgewandte Organe wie zum Beispiel<br />

<strong>das</strong> Weiße Haus ihren Auftritt im Internet zuwege brachten (vgl. PRINS 2002, S. 71;<br />

ONEIDA INDIAN NATION 2000).<br />

Trotz dieses Trends gibt es bis heute nur sehr wenige ethnologische Arbeiten,<br />

die sich mit indigenen Gruppenidentitäten oder Fragen der Ethnizität im Internet<br />

beschäftigen. Von diesen wiederum betrachten viele nur die virtuellen, <strong>das</strong> heißt,<br />

im Internet stattfindenden Bestandteile des Prozesses.<br />

Allerdings ist man sich inzwischen einig, <strong>das</strong>s der Cyberspace nicht die von<br />

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