27.02.2013 Aufrufe

Flüchtlinge und das ‚Aushandeln

Flüchtlinge und das ‚Aushandeln

Flüchtlinge und das ‚Aushandeln

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

114<br />

seitig die Zuständigkeit zuschoben. Selbst einflussreiche Leute, die sich durch die<br />

Fürsprache von Feders Bekannten der Angelegenheit annehmen wollten, wie z. B.<br />

Alexandre Marcondes Filho (Arbeits- <strong>und</strong> Justizminister), Aristides Malheiros<br />

(Staatssekretär im Arbeitsministerium), Geraldo Mascarenhas (Privatsekretär von<br />

Getúlio Vargas) <strong>und</strong> João Neves da Fontoura (Nachfolger von Souza Dantas),<br />

konnten oder wollten nichts ausrichten. Unermüdlich suchte Feder die verschiedenen<br />

Ministerien <strong>und</strong> den Präsidentensitz auf <strong>und</strong> reichte zahlreiche Anträge<br />

<strong>und</strong> Gesuche ein. Alles vergebens:<br />

Nachmittags wieder Catete [d.i. Palácio do Catete, der Sitz des Präsidenten<br />

Vargas]. […] Die Situation ist die folgende: Außer den früheren Sachen:<br />

1. mein Gesuch an Außenministerium, abgelehnt wegen Einspruchs des<br />

Justizministeriums<br />

2. meine 1. Eingabe an den Präsidenten, mit negativem Bescheid des Justizministeriums<br />

zum Catete zurückgelangt <strong>und</strong> dort ohne Lösung lagernd<br />

(Eingabe 11.06.1942) schweben noch<br />

3. meine 2. Eingabe an den Präsidenten Ende August<br />

4. Ernas Eingabe vom 23. September<br />

5. Telegramm der drei Akademiker [gemeint sind die Mitglieder der Academia<br />

Brasileira de Letras Cassiano Ricardo, Ribeiro Couto <strong>und</strong> Múcio Leão] an<br />

Luiz Vergara [weiterer Sekretär von Vargas] vom 30. September.<br />

Wie ich nun mehr feststelle wurde die Eingabe zu 3 am 3. September, <strong>das</strong><br />

Telegramm zu 5 am 27. Oktober dem Justizministerium überwiesen, während<br />

die von so vielen Seiten so energisch befürwortete Eingabe vom 4.<br />

September überhaupt noch nicht zum Catete gelangt ist! Sich also wohl<br />

noch im Guanabara befindet oder verschw<strong>und</strong>en ist. (TB Bd. 15, 11.11.1942)<br />

Trotz Feders Hartnäckigkeit, mit der er die Angelegenheit verfolgte, sollte es<br />

schließlich bis Juli 1946 dauern, bis Erna Feder ihre Mutter (der Vater war inzwischen<br />

verstorben <strong>und</strong> Arthur Feder zog es vor, in den USA einen Neuanfang zu<br />

versuchen) wohlbehalten in Rio in Empfang nehmen konnte. Obgleich es auch<br />

einige wenige Fälle gab, in denen es jüdischen Hitler-<strong>Flüchtlinge</strong>n gelang, Verwandte<br />

aus dem vom Krieg erschütterten Europa in <strong>das</strong> sichere Brasilien zu holen,<br />

mussten die meisten ähnliche Erfahrung wie Feder machen <strong>und</strong> verloren<br />

dabei ihre Liebsten, die dem Nazi-Terror zum Opfer fielen.<br />

Die brasilianische Bevölkerung bekam von den Nöten der Emigranten wenig<br />

mit. Getúlio Vargas wurde von vielen als „pai dos pobres“ (Vater der Armen) verehrt<br />

<strong>und</strong> genoss gerade in der ärmeren Bevölkerung großes Ansehen. Wie weit<br />

dieses manchmal ging, musste Feder in einer Auseinandersetzung mit der Hausangestellten<br />

Alice erfahren. Zu welchen Missverständnissen es in diesem Kontext<br />

auch aufgr<strong>und</strong> von Mentalitätsunterschieden kommen konnte, macht Feders<br />

Tagebucheintragung deutlich:<br />

Schwerer Konflikt mit Alice, gerade am heutigen Geburtstag des Präsidenten<br />

Getulio. Sie ist tief entrüstet <strong>und</strong> ganz aufgewühlt, weil ich<br />

gestern meinen Artikel aus dem Malho entheftete <strong>und</strong> <strong>das</strong> übrige Heft<br />

mit dem Bild des Präsidenten zum Licho [sic] warf (ich legte es zu dem<br />

übrigen Papier, <strong>das</strong> sie immer verkauft). Sie hat <strong>das</strong> ganze Heft mit

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!