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Flüchtlinge und das ‚Aushandeln

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auch, weil sie zunächst nur in der intellektuellen <strong>und</strong> militärischen Elite stattfand. Das<br />

Volk, <strong>das</strong> heißt die wenig gebildete oder schlecht informierte Bevölkerung, nahm<br />

staunend davon Kenntnis. Erst später gab es Tote, bei einer Art Konter-Revolution,<br />

der „Revolta da Armada“, dem Aufstand einiger Marinesoldaten, 1893-1895, als sogar<br />

die Stadt Rio de Janeiro mit großen Kanonen bombardiert wurde (ibd., S. 238-240).<br />

Obwohl die neue Fahne dem neuen brasilianischen Staat <strong>und</strong> seinen Bürgern<br />

per Dekret ‚aufs Auge gedrückt‘ wurde, sollte sie doch keinen Bruch darstellen,<br />

sondern den Anschluss an die Tradition bringen <strong>und</strong> gleichzeitig in die Zukunft<br />

weisen, sogar mit der Zeit patriotische Gefühle erzeugen, wie Teixeira Mendes in<br />

seiner „Philosophischen Bewertung“ („Apreciação Filosófica“) der Fahne am<br />

24.11.1889 im Diário Oficial (cf. Anhang II, Mourão 1998, S. 104-108) schreibt, um<br />

die anscheinend lauten Proteste gegen diese neue Kreation der Positivisten abzuwiegeln.<br />

Die Zukunft sollte ihm Recht geben.<br />

In der Positivistischen Kirche in Rio de Janeiro ist der Prototyp dieser Fahne ausgestellt,<br />

auf Papier <strong>und</strong> in den Farben, Formen <strong>und</strong> der Größe, wie sie von dem Maler<br />

Decio Vilares ausgeführt wurde. Mit dem „seitenverkehrten“ Sternensystem. Angeblich<br />

der Originalentwurf, eine heute wenig bekannte Reliquie.<br />

Wann diese Fahne gezeichnet wurde, ist aus den Quellen nicht eindeutig ersichtlich.<br />

Zum ersten Mal wird sie auf einer Karikatur vom 16.11.1889 gezeigt, mit<br />

weißem Band, aber noch ohne <strong>das</strong> Motto ORDEM g PROGRESSO (CARVALHO<br />

1990, S. 117). Vermutlich war diese Fahne aber schon einige Monate oder Wochen<br />

vorher geplant oder skizziert worden.<br />

Das offenbar in letzter Minute aufgedruckte Motto ORDEM g PROGRESSO auf<br />

der ‚Banderole‘ ist Auguste Comtes Schriften entnommen, Die positivistische Versöhnung<br />

von Ordnung <strong>und</strong> Fortschritt (COMTE 1994, S. 60-67). Es gibt die<br />

Fortschrittsgläubigkeit der Intellektuellen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

formelhaft wieder: Man meinte, die Überwindung früherer Stadien der<br />

Menschheit, nach Comte des so genannten „theologischen“, dann „metaphysischen“,<br />

sei nun <strong>das</strong> „positive“, <strong>das</strong> heißt fortschrittlich-wissenschaftliche Stadium<br />

(„l´état positif “) erreicht oder in Kürze erreichbar (COMTE 1974, S. 8-14). Es sollte<br />

auch <strong>das</strong> Motto für die künftige Entwicklung des neuen Staates sein, was viele<br />

Gegner des Neuen, auch die katholische Kirche, als Affront empfanden.<br />

Der Sternen-Himmel über Rio de Janeiro<br />

Heutzutage ist die Meinung weit verbreitet – auch in dem neuen Fahnen-<br />

Büchlein von Merian wird sie wiederholt –, <strong>das</strong>s es sich bei der Sternenkonstellation<br />

auf der brasilianischen Fahne um eine Darstellung des Sternenhimmels über Rio<br />

de Janeiro am 15. November 1889 handele.<br />

Prado bringt in seiner Streitschrift A Bandeira Nacional (1903), erstmals einen<br />

Nachdruck des Textes von Teixeiras Mendes’ „Rechtfertigung“ (cf. MOURÃO 1998,<br />

S. 104-108). Daraus wird ersichtlich, <strong>das</strong>s Teixeira Mendes sagte, der auf der brasilianischen<br />

Fahne wiedergegebene Ausschnitt solle den Sternenhimmel wiedergeben,<br />

wenn sich <strong>das</strong> Kreuz des Südens im Meridian über der Hauptstadt der Vereinigten<br />

Staaten von Brasilien befinde, also wenn die Sonne über Rio de Janeiro am<br />

höchsten steht. Von einem bestimmten Datum spricht er nicht (ibd., S. 106).

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